Kreative Texte: Welpling Släsch Werbetexter

Geld ist keins da. Nicht für kreative Texte, nicht für Staaten und auch nicht für dieses winzige rote Tierchen, das im Sommer immer über meine Terrasse krabbelt. „Rote Samtmilbe“ nennt sich dieses laufende Staubkorn Släsch Spinnentier. Man sagt jetzt ja nicht mehr „Querstrich“. Man sagt Slash und schreibt den englischen Schmarrn dann Deutsch, sagt der pensionierte Oberstudienrat. Släsch. Klingt wie eine Kölschrockband. Bläck Fööss, Släsch, Würg.

Kreative Texte von Werbetextern oder Welplingen, das ist hier die Frage!

Werbetexter schreiben gerne kreative Texte auf Bilder.

Weit verbreitet ist die Rote Samtmilbe in Mitteleuropa und das hat sie mit dem Beruf des Werbetexters gemein. Gemein wäre es, zu behaupten, sie sei genauso nützlich. Denn immerhin ist sie nützlicher als der „Winzige Purpurrote Welpling“. Dieses Tier wurde vom Internet zunächst ausgespuckt, als ich nach „winzigen roten Tierchen auf meiner Terrasse“ fahndete. Was das Internet eigentlich hätte wissen können, ist, dass der „Winzige Purpurrote Welpling“ nicht auf meiner Terrasse, sondern ausschließlich im virtuellen Sumpf des Onlinerollenspiels „World of Warcraft“ endemisch ist. Der Welpling sieht aus wie ein Drache und dient rein dekorativen Zwecken. Seine Haupteigenschaft ist, dass er „sehr selten droppt“. So jammern zumindest die Damen und Herren Onlinerollenspieler. „Droppen“ ist, wenn man ein Viech kloppt bis es Hops geht und es zum Dank sein gesamtes Hab und Gut fallen lässt. Fallen lassen ist Deutsch, droppen ist nicht Englisch. Heißt aber trotzdem so. Das gedroppte Zeug sammelt man auf und ist um ein paar Ork-Tampons reicher. Gemäß der Klopp-Dropp-Dialektik der Online-Gamer-Community droppt der Welpling ausschließlich aus Fabelwesen namens „Gnolle der Moosfelle“ oder „Fallensteller der Dunkeleisenzwerge“. Bei solch kryptischen Zuständen ist es verständlich, dass manche nicht aufs Droppen warten wollen und sich den Welpling einfach beim nächsten Schacherzwerg kaufen. Bis zu 15.000 Goldstücke will so ein Schacherzwerg für das Viech. Bringen tut der teure Welpling dem Spieler zwar nix, aber er sieht gut aus.

Es wäre gemein zu sagen: Ebenso wie ein Werbetexter. Wobei: Warum eigentlich? Dass Werbetexter die hübschesten Menschen auf Gottes Erdball sind, ist doch ein toller Claim. Egal ob Sommer oder Winter – immer finden sie Wege, ihre Brustbehaarung ans Tageslicht zu bringen. Sie duften wie die Toskana an einem schwülen Sommerabend und gebieten über beeindruckend glatte Haut. Regelmäßig wachsen sie sich die Oberlippe und singen dazu „I´ve got the power!“. Sie sind eine Augenweide. Geboren, um beglotzt zu werden. Gelesen jedoch … nun ja … urteilen Sie selbst:

„Tetra Pak Getränkekartons bestehen größtenteils aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz, das überwiegend aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern stammt.“

Tapfer formuliert. Mit Einschränkungen. So enthält der Satz zwei beliebte Schwafelwörter aus dem Arsenal jener, deren Leben auf Anraten ihrer Anwälte vor allem „auf der sicheren Seite“ zu verlaufen hat. „Größtenteils“ und „überwiegend“ sind grundsolide Abwiegelungsgeschwister. Nahe Verwandte von Onkel „oft“ und Tante „teilweise“, wenn auch nicht ganz so verkommen wie das öffentlich-rechtliche „offenbar“ und dessen eher in Zeitungen heimischer Halbbruder „offensichtlich“. Die Geschwister lassen manches offen. So zum Beispiel, welche Rohstoffe außer Holz bei der Herstellung von Tetra Paks denn nun noch zum Einsatz kommen? Plastik und Lerchenkotze? Man täts gern wissen und sein grünes Gewissen updaten. Noch mehr interessiert das Gewissen aber, woher das restliche Holz stammt. Jenes, das, wie das„überwiegend“ andeutet, nicht in den „verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern“ gedieh. Die Antwort kann nur sein, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil unserer Tetra Paks von Fallenstellern der Dunkeleisenzwerge in der grünen Lunge des Amazonas raubgewildert und an gierige Schacherzwerge verhökert wurde.

Fiese Schacherzwerge! Bei all der Wachsamkeit, die hierzulande der Geißel des Rassismus und der Intoleranz entgegengebracht wird, kann man sich nur wundern, welche Ausgeburten des Antisemitismus einem unwidersprochen in Computerspielen begegnen. Die Gattung der Schacherzwerge ist das augenscheinlichste Beispiel. In so gut wie jedem Fantasy-Spiel begegnen einem bucklige Zwerge mit „hübschen Zinken“ (frei nach Walter Moers). Selbst an Backenbart und Löckchen mangelt es ihnen nicht. Werden die Spieleentwickler und Grafiker aber deswegen an den öffentlichen Pranger gestellt? Müssen sie Abbitte leisten und Michel Friedmans Haare ablecken? Nein, müssen sie nicht. Denn Herr Friedman verbringt seine Freizeit mitnichten damit, Winzige Purpurrote Welplinge zu jagen und dafür darf man ihn achten. Auch der Mossad hat seinerseits kein Interesse an Gnollen. Also schachern die Zwerge unwidersprochen weiter.

Doch genug von Fabelwesen und weiter im Tetra-Pak-Text:

„Werden die Tetra Paks nach Gebrauch in gelben Tonnen oder Säcken gesammelt, sind sie anschließend wieder verwertbar.“

Das ist schön. Schade allerdings, dass Tetra Paks absolut unverwertbar werden, sollte eine arme Seele sie – sagen wir – in roten Tonnen sammeln. Oder in Eimern. Oder unter dem Bett. Die wunderbaren Erzeugnisse aus Holz, Plastik und Lerchenkotze würden sich bei so einer Behandlung auf der Stelle kräuseln wie die Schuhe der Bösen Hexe des Ostens, würden schmelzen wie das Gesicht des die Bundeslade öffnenden Nazis im „Jäger des verlorenen Schatzes“, vergehen wie die Paarungsgelegenheiten eines Cineasten.

Daraus soll man Milch trinken?

Darum: Nur ansehen, nicht lesen, die Werbetexter. Manch andere Kreative muss man aber leider notgedrungen ranlassen. Zum Beispiel, wenn man sich eine eigene Internetseite zulegen will. Denn leider droppt gutes Design selten und Feld-, Wald- und Wiesenseiten nach dem Baukastensystem sind etwas für Klempner, Anwälte und sonstige Wurstfinger. Also den Experten geholt. Der sagt tausendmal „template“ in der Minute, das ist einigermaßen Englisch und heißt Schablone.  Weiß man also, was Schablone einigermaßen auf Englisch heißt und träumt die ganze Nacht vom wallenden Brusthaar des Experten. Am nächsten Morgen kitzelt einen die Sommersonne an der Nasenspitze. Fröhlich schlägt man die Augen auf und sieht, dass nicht die Sonne kitzelte, sondern ein Winziger Purpurroter Welpling, der einem auf der Brust hockt und dadurch das Designeralpdrücken verursacht hat. Ist man also endlich übergeschnappt, denkt man erleichtert, bis man den Laptop entdeckt in dem der Welpling haust und dessen Gebläse einem die Nippel steif pustet. Der Laptop drückte also wegen des Ranlassens. Musste man die Schablone doch überdenken. Bleibt nur ein Problem: Geld ist keins da.

Der Internetheini will aber welches und unterscheidet sich dadurch von Russlanddeutschen Wehrdienstleistenden. Die antworten auf jeden Befehl nämlich nicht „Jawoll“, sondern „Ich wiiiill nicht“ plus Begründung. Das erzählte mir ein befreundeter Hauptmann, der diese im militärischen Alltag vermutlich eher störende Russlanddeutsche Angewohnheit übrigens als sehr erfrischend empfand. Dem Frieden zuträglich ist sie wohl. Man stelle sich nur vor, wenn dem GröFaZ einst auf sein „seit 05:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“ aus Millionen Wehrmachtskehlen ein „Ich wiiill nicht – is su früüüh!“ entgegengeschallt wäre. So eine Armee hätte man doch einfach nur liebhaben können. Wenn die Wehrmacht dann schön ausgeschlafen und gebruncht hätte, wäre sie, sagen wir gegen 11:45 Uhr, gähnend, und sich gemütlich am Hintern kratzend nach Polen geschlurft. Wäre unseren Großvätern Feindseligkeit entgegengeschlagen? Nicht doch. Durch ganz Polen wäre der Satz getönt: „Ach wie süß, die Deutschen kommen knuddeln!“ So hätte man sich durchs Land geherzt und bis zur russischen Grenze wäre unser Heer mit tausenden lustigen Schwejks verstärkt gewesen. „Briederchen!“ Mit offenen Schlagbäumen und die Wodkaflasche schwenkend hätte der Sowjet uns empfangen, schnell wäre man gemeinsam hinter den Ural getorkelt und hätte an die herrlichen russischen Birken gepieselt. Mit leuchtenden Augen wäre Opa heimgekehrt und hätte bis an sein Lebensende sehnsüchtig gemurmelt: „Ach ja, Sibirien!“ Verluste hätte es in diesem Zweiten Weltkuscheln, von einigen Schnapsleichen abgesehen, keine gegeben. Ach wie schön wäre eine Welt mit etwas mehr „ich wiiill nicht“!

(c) André Stiefenhofer 2015 – Performance anfragen: kontakt(ät)andre-stiefenhofer.de