Flüchtlinge in Deutschland: Wir können und müssen sie aufnehmen!

Ich habe lange gezögert, Texte über Flüchtlinge in Deutschland zu schreiben. Die ganze Diskussion ist recht komplex und wird emotional bis hysterisch geführt. Man kann sich daran eigentlich nur die Finger verbrennen. Warum ich in dieser Woche nun doch eine Textreihe dazu verfasse, hat nur einen Grund: Ich habe ein bisschen Ahnung vom Thema, weil ich sechs Jahre lang hier gearbeitet habe, weltweite Flüchtlingstragödien beobachtet und Flüchtlingen in Deutschland geholfen habe. Ahnung verpflichtet, also los.

Flüchtlinge in Deutschland haben es besser als im Nahen Osten und das ist gut so!

Diese Kirche in Jordanien ist zu klein, die Flüchtlinge müssen draußen mitbeten. Das Land hat knapp 7 Millionen Einwohner, über eine halbe Million davon sind Flüchtlinge.

Viele Menschen glauben, wir könnten nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen. Das ist verständlich, denn man muss schon diverse nicht allzu offensichtliche Fakten kennen, um zu verstehen, warum wir schon aus Eigennutz so viele Flüchtlinge – vor allem aus dem Nahen Osten – aufnehmen sollten wie nur irgendwie möglich. Eine Liste dieser Fakten gibt’s morgen hier an gleicher Stelle, also klicken Sie rein!

Moralisch haben wir diese Verpflichtung darüber hinaus, weil wir nicht genug getan haben, um das herrschende Chaos in Afrika und im Nahen Osten zu verhindern und zu unterbinden. Die treibende destabilisierende Kraft im Nahen und Mittleren Osten heißt Saudi-Arabien. Ein totalitärer Staat und unser bester Buddy in der Region. Seinen Interessen haben wir im Nahen Osten die Irak-Kriege und den Islamischen Staat sowie in Afrika Boko Haram zu verdanken. Von dort stammt das allermeiste von dem, was man heute so „Islamismus“ nennt. Weil uns die Arabische Halbinsel immer schon wichtiger war als der Rest des Nahen Ostens – Israel eingeschlossen – und weil wir zu islamophob, xenophob und wirtschaftsfixiert waren, um die realen Zusammenhänge der Region erfassen zu wollen, haben wir es zugelassen, dass die vielfältige und größtenteils friedfertige islamische Kultur von finanzstarken Fanatikern aus Saudi-Arabien und dessen Satellitenstaaten zerschlagen, gleichgeschaltet und als „radikaler Islam“ wiederaufgebaut wurde. Herzlichen Glückwunsch, lieber Westen! Die Quittung ist dieser Flüchtlingsstrom.

Die Reaktion des offiziellen Deutschland und seiner Bürger auf diese Herausforderung macht mich bisher stolz. Die großartige Begrüßung der vorwiegend syrischen Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof Anfang September und die klaren Worte von Kanzlerin Angela Merkel sind genau das Gegenteil von dem, was jeder erwartet hätte, der nur das Mediengekreische für bare Münze genommen hat. Die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte sind die dunkle Seite der Medaille. Die Täter sind in meinen Augen große Kinder, die trotz Globalisierung und (vermutlich) eigenem Auto zumindest geistig noch nie über die Gassi-Reichweite ihres Kampfhundes hinausgekommen sind. Ihre Anstifter dagegen sind unserem Verfassungsschutz bekannt. Man muss sich daher ernsthaft fragen, wieso nicht energischer gegen diesen Rechtsterrorismus vorgegangen wird. Das ist eine noch unerledigte Hausaufgabe unserer Sicherheitskräfte.

Als Christ kommt für mich noch eine weitere Dimension hinzu: Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter und die klare Aufforderung Jesu, jedem, aber auch wirklich jedem zu helfen, der Hilfe braucht, lässt nicht den kleinsten Raum für Sprüche wie „das Boot ist voll“. Selbst wenn das wahr wäre (was es in Deutschland keinesfalls ist), hätte ich als Christ die Verpflichtung, jeden mit in meinen Rettungsring zu nehmen, der ihn braucht. Wem das zu radikal ist, den verstehe ich. Wenn derjenige sich dann aber noch „Christ“ nennt, finde ich das irgendwie inkonsequent.