Würdiges Katern der Allgäuer Jugend nach dem Besuch von Landdiscos.

Eines weiß ich aus meiner Allgäuer Jugend sicher:

Diskotheken und Clubs sind die Mitochondrien des Hinterlandes, die Kraftwerke, aus denen die Jugend im Allgäu ihre Energie zieht. Pfui, war das ein schlimmer Satz, weisch, des goht it, so darf man nicht sprechen zwischen Isny und Immenstadt. Red´ gefälligst Dialekt, ja der Dialekt will kultiviert sein von der Allgäuer Jugend. Zwischen Doc Martens und Dreadlocks, Totenkopftattoo und Impfnarbe gehört die Sprache hier zur Körperpflege. Sie stimmt aber natürlich auch auf hochdeutsch, die Sache mit den Landdiscos im Allgäu und sie verlangt würdiges Katern. Was das ist? Lest, voran, lest!

Landdiscos im Allgäu, Freude der Allgäuer Jugend!

Landdiscos sind a) schwer zu finden b) wunderbar oder c) alles zusammen.

Jene rauchigen Kaschemmen, die sich im Nirgendwo an die Hänge der grünen und grauen Täler schmiegen. Jene Walddiskotheken mit ihrem ewig gleichen „Whole lotta love“, „I put a spell on you“ und „Narcotic“. Ihr Licht ist im Winter die einzige Verheißung von Wärme auf 50 Quadratkilometern, darum sind sie die einzigen Häuser des Allgäus, die man auch vom Weltall aus sehen kann. Zu ihnen führen ungeräumte Straßen, deren Verheißung Vereisung heißt und über die dennoch eine Karawane unzähliger rostiger Kleinwagen zum heißen Brennpunkt des Lebens und der Liebe, zu Schuppen namens „Rasta“ oder „Sonneck“ zieht. Hier, wo sich die Elite des Rock´n Roll versammelt, kippen die coolsten Säue der Nation ihre Woiza.

Neulich hat jemand die coolen Säue „baurig“ genannt. Ich glaube, der Typ hieß „Neid“. Denn wovon die Großstadtrocker, Raver und Punks träumen – die große Freiheit, Sex, Drugs and Rock´n Roll – damit wachsen die Bauernsöhne und -töchter ganz selbstverständlich auf. Die Entfernungen zwingen sie dazu, sich früh zu motorisieren. Die freie Natur und manchmal sogar Papas Hof bergen vielfältige Möglichkeiten, bewusstseinsverändernde Substanzen zu sammeln oder anzubauen. Und der DJ im „Sonneck“ ist vielleicht nicht immer ganz auf der Höhe der Zeit, hat dafür aber einen ernstzunehmenden Musikgeschmack und präsentiert sein solides Set Woche für Woche für Woche.

Allgäuer Jugend: Die wahre Jugend!

Während die Großstadtjugend in der Masse untergeht, den neuesten Trends hinterherhechelt und dabei doch immer nur die Verkleidung wechselt, hat sich das Allgäuer Jungvolk in seinem musikgetriebenen Lebensstil gemütlich eingerichtet, sind Festivalbändchen um die Handgelenke ebenso Lebensart wie der Abwrackprämie von der Schippe gefahrene und schludrig neulackierte Autos. Wer sagt, die Landjugend sei ein Freund des Tunings, muss die öden Motorfetischisten der drögen Allgäuer Kleinstädte meinen. Bauernkinder tunen nicht. Sie schrauben, basteln und hinterher sieht alles aus wie ein Traktor. Wer meint, seine Jugend in Käffern wie Kempten, Immenstadt oder Wangen verbummeln zu müssen, wird sich einst im Paradiese fragen, warum er immer nur in öden Pubs zu Schlagern dösig gesoffen oder in kalten Hallen zu Techno müde gezuckt hat, anstatt nur ein paar Kilometer weiter zwischen Hügeln und Wäldern die brüllende Hitze der Nacht und wie einem Hunter-S.-Thompson-Roman entsprungene Irre zu erleben.

Die Kehrseite des wilden Lebens ist eine vorprogrammierte morgendliche Katerstimmung, die in der von den Gletschern der Eiszeit gezeichneten Landschaft des Voralpenlandes deutlich anders ausfällt als in der Großstadt. Wer im Hinterland seinen „Kalten Truthahn“ schieben muss, sollte sich vorher versichern, alles Nötige im Haus zu haben. Denn der Weg zum nächsten Geschäft ist weit und die Ladenöffnungszeiten huldigen der Adenauerzeit. Mancherorts haben die Krämer nicht nur Samstags und Sonntags, sondern sogar Mittwochnachmittag geschlossen. Eine Tatsache, die manchem Spätkaufverwöhnten Großstädter schon das Leben oder zumindest die gute Laune gekostet hat. Dösige Sonntagsstimmung weht die meiste Zeit durchs Allgäu und so sehr sie einem beim „runterkommen“ hilft, genauso stört sie beim wieder aufpäppeln.

Würdiges Katern, morgendliche Katerstimmung, Allgäu

Würdiges Katern beinhaltet für mich den Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes.

Wo soll man nur einen bunten Film herbekommen am Sonntagmorgen, wenn das Internet noch analog und der DVD-Verleih geschlossen ist? Die eigene Sammlung beinhaltet nur schonungslos harte Thriller und Kunstfilme, doch stünde einem der Sinn nach Pipi Langstrumpf oder ähnlich infantilen Streifen, die man sonst nicht im Regal stehen haben möchte. Denn jetzt ist Embryostellungszeit, man schrumpft in die Kindheit zurück und ist doch in der Knochensägenrealität gefangen. Alles ist wie in den 70ern, ein Solidargefühl kommt auf. Man liegt im Geiste mit Jim Morrison in der Badewanne eines Pariser Hotelzimmers und keiner zieht den Abflussstöpsel. Hier bist du allein mit deinem Kater, verlorener als es in jeder Stadt der Fall wäre. Hier gibt es keine Fußgängerzonen, keine Cafés in die du dich durch eine schwarze Sonnenbrille abgeschirmt hocken und deine Wunden lecken könntest. Es gibt nur die kalt verputzte Wand, das Fenster, den Regen und Wald, Wald, Wald.

Im vor sich hin hämmernden Schädel verflüchtigen sich die Gewissheiten, kriechen Verschwörungstheorien ins Land der Tatsachen. Kennedy, die Mondlandung, Bielefeld. Alles scheint möglich in dieser fiesen, grauen Welt und dann auch noch die verdammte eigene Phantasie. Wieso eigentlich dauert ein Fußballspiel genau 90 Minuten? Wieso gibt es eine Pause nach 45? 1945 und 1990, die wichtigsten Jahre des 20. Jahrhunderts, Ende des Zweiten Weltkriegs und deutsche Wiedervereinigung, das kann doch kein Zufall sein! War der Erfinder der Kickerei vielleicht ein Prophet? Diese Kabbala macht einen noch wahnsinnig. Besser sich schmerzend aus dem Bett gequält und die Räude abgeduscht. Der Nachbarjunge spielt hinter dem Panoramafenster ein Metzelspiel auf seiner Konsole, sein Vater reißt in Gore-Tex gehüllt mit einem Spaten den Garten auf. Als die Kirchenglocken läuten, stößt du sauer auf. Dann gehst du hin zur Kirche, um Dein Inneres zu säubern. Nach der Messe kommt die Sonne raus und alles strebt ins Wirtshaus. Du strebst mit, setzt dich an den Katzentisch nahe der Küchentür und bestellst ein deftiges Fleischgericht mit Konterwoiza. Das mag der Kalte Truthahn nicht, das hasst er, das bringt die Wärme und das Leben zurück. Am späten Nachmittag verlässt du das Wirtshaus mit angenehm schweren Gliedern, plumpst ins Bett und schläfst bis zum nächsten Morgen. „Würdiges Katern“ nennt das die Allgäuer Jugend. Ja, wer so katert, katert wohl.

Mein „defekter Code“: Die Sünde erklärt

Sünde erklärt: Dass man den christlichen Glauben gut verstehen kann, wenn man das Leben wie ein MMO-Rollenspiel sieht, habe ich letztes Mal erklärt. Heute geht’s darum, wie ich mich persönlich im Spiel verhalten sollte, um kompatibel für Version 2.0 zu werden. Denn mein Problem ist ein defekter Code in mir – die sogenannte „Sünde“. Deshalb glitche ich andauernd rum, renne gegen Türen statt sie zu öffnen und bleib in Gegenständen stecken.

Mein defekter Code - Die Sünde erklärt durch Computerspiele - Sünde einfach erklärt

Sünde und Vergebung – erklärt für Gamer …

Diesen Code bekomme ich genauso wenig aus mir raus wie im echten Leben meine Milz oder Leber. Er ist mit mir verwoben und selbst der beste Chirurg kann ihn nicht entfernen, ohne mich zu töten. Aber der göttliche Programmierer hat mir immerhin einen Sensor dafür eingebaut, wann der kaputte Code am Werk ist: Das Gewissen. Immer wenn ich glitche, klingeln in mir die Alarmglocken. Und je besser ich auf die höre, desto weniger folge ich dem kaputten Code.

Das mag zwar ein gangbarer Weg zu sein, um nicht allzu viel Mist zu bauen – eine Lösung ist es nicht. Denn kaputter Code bleibt kaputter Code und egal wie wenig ich auf ihn höre, schließt allein schon seine Existenz mich von Version 2.0 des Spiels (a.k.a. „Himmel“) aus. Ich kann mich nicht selbst reparieren und muss es auch nicht. Denn das hat der Programmierer bereits für mich getan, indem er selbst „ins Spiel kam“ und mir die Möglichkeit zum rebooten gab. Voraussetzung dafür ist, dass ich den Neustart auch will.

Wieso sollte ich das denn nicht wollen, fragt jetzt vielleicht der ein oder andere? Nun ja, vielleicht weil ich den kaputten Code und seine Auswirkungen eigentlich sehr cool finde. Weil ich den Kick liebe, wenn ich Erfolg und Geld hinterherhechle und links und rechts alle anderen niedermähe. Oder, weniger Gangsta und mehr Alltag: Weil ich lieber besoffen als nüchtern bin, weil ich gerne über andere lästere, es bei der Steuererklärung lieber nicht zu genau nehme und ab und an einfach mal gerne fremdgehe. Der kaputte Code zieht eine rote Spur durch unser Leben. Durch jedes. Keiner und Keine ist frei davon.

Das Überraschende an der christlichen Lehre ist nun: Es ist ihr völlig egal, wie schwer man den Codefehler am Einzelnen bemerkt. Ob Mörder oder Stehendpinkler, alle sind mal grundsätzlich nicht für Version 2.0 geeignet. Es sei denn, sie nehmen das Angebot des Programmierers und seines Vorbildes an. Dann ist alles gut. Und dann fällt es leichter, den kaputten Code zu ignorieren. Ein Vorbild, wie das gebrochene Innere überlistet werden kann, hat Gott selbst als Jesus Christus gegeben. Wer so handelt wie er, der schafft’s einigermaßen glitchfrei durch’s Leben.

So die Sünde erklärt wird vielleicht die ein oder andere bisher als unsinnig wahrgenommene kirchliche Lehre klarer:

Warum werden Abtreibung, Ehescheidung und gelebte Homosexualität abgelehnt?
Weil die Kirche sie als Auswirkungen des „kaputten Code“ des Menschen betrachtet.

Werden deshalb Schwule, Geschiedene oder radikale Feministinnen verdammt?
Wer das immer noch glaubt, hat weiter oben nicht aufmerksam genug gelesen.

Es geht um den Code, nicht um das Glitchen. Richtiges Handeln entspringt der Achtsamkeit auf den richtigen Code und aus der Abkehr vom falschen. Doch auch das tollste Handeln (Endgegner mit 100 Health PERFECT besiegt) kann den Code nicht reparieren. Das kann nur das Eingreifen des Programmierers. Und das ist: Gnade.

Deutsche Fundstücke Teil 2: Der nicht ganz unbeängstigende Eisjunkie

Trainspotting in Wasserburg: Eisjunkie auf Entzug.

Wer auf Speiseeis sitzt, hat kalte Backen …

Neulich beim Eisjunkie frei nach „Trainspotting“:

„Ey, Renton, schau mal – hab mir das Ding an die Hand geklebt, damit mir der Stoff nicht wieder auf den Teppich tropft. Voll clever – nä?“

„Ach Spud …“

Das Evangelium für Gamer erklärt

Passt auf liebe Gamer, ich verkünde Euch eine frohe Botschaft:
Der christliche Glaube sagt, dass wir in einem gigantischen von Gott programmierten MMO-Rollenspiel leben. Doch das Programm machte Probleme. Nach einigen Milliarden Jahren hatte sich ein gewaltiger Haufen Bugs angesammelt, der das Spielen mehr und mehr unmöglich machte und den Programmierer zur Verzweiflung trieb.

Frohe Botschaft Evangelium für Gamer für Computerspieler

Jedem Tierchen sein Plaisierchen …

Das Programm war derart verkorkst, dass man es eigentlich hätte löschen und komplett neu hätte schreiben müssen. Das hat der göttliche Programmierer auch gemacht, nur konnte er die Charaktere aus Version 1.0 wegen des verkorksten Codes nicht funktionstüchtig in Version 2.0 überführen. Damit kam er gar nicht klar, denn die Jungs und Mädels waren alle so was von hochgelevelt, hatten derbe Spezialskins, Flammenschwerter hoch zehn, also was soll ich sagen: Er liebte einfach jeden einzelnen Charakter unbändig! Um den Import in Version 2.0 dennoch zu stemmen, ergriff Gott daher drastische Maßnahmen, machte einen auf Tron und wurde selbst zum Spielcharakter: Level 1, unbewaffnet, kein auffälliger Background.

Auf seiner Reparaturmission fuhr er eine Doppelstrategie: Er zeigte den Charakteren, wie sie die Bugs umgehen konnten (z.B.: „Nein, rennt nicht 1000 mal gegen diese bescheuerte Tür, sondern macht sie halt einfach auf, verdammt!“). Und gleichzeitig fing er an, das Programm von innen heraus umzuschreiben, komplett neue Definitionen und Spielregeln einzubinden.

Als er damit fertig war, fehlte nur noch eins: Das Rebooten, der Neustart. Und weil Gott der genialste Programmierer aller Zeiten ist, schaffte er es, den kompletten Programmcode in seinen eigenen In-Game-Charakter einzubinden, so dass er nur diesen Charakter zum Implementieren neu starten musste und nicht das gesamte Programm. Der Neustart dauerte drei ganze Tage, dann respawnte Gottes Charakter und damit auch er selbst (der Part ist echt hirnverrenkend). Das sorgte für einen gehörigen Tumult, denn dieser Skill war bisher noch nicht freigeschalten gewesen – der funktionierte erst seit dem Reboot.

Ja und seitdem ist das Programm vom Code her gerettet, sprich: Es läuft stabiler als früher. Probleme bereiten aber nach wie vor die Bugs – denn weil eben nicht das ganze Programm neu gestartet werden konnte (um die Charaktere zu retten) sind die Fehler weiterhin vorhanden und es gibt noch immer Millionen Idioten, die in Gegenständen feststecken, mit dem Kopf gegen Türen laufen oder sonstwie rumspacken. Ist im Prinzip kein Problem, denn sobald sie „sterben“, kommen sie in die Reboot-Phase (a.k.a. „Fegefeuer“), der neue Programmcode wird implementiert und sie landen in der geheimnisvollen „Version 2.0“ des Spiels (a.k.a. „Himmel“). Allerdings, und hier wird’s jetzt richtig kompliziert, kommen Sie da nur hin, wenn sie in Version 1.0 ihre Zustimmung dazu gegeben haben.

Ganz richtig, Gott heißt nicht Mark Zuckerberg und darum ist ihm der freie Wille (a.k.a. Datenschutz) ein derart großes Anliegen, dass er den Spielcharakteren während des Games andauernd „Ich stimme zu“-Anklickboxen unter die Nase hält. Die sind künstlerisch nur feiner gemacht: Man stimmt nämlich immer dann zu, wenn man sich so verhält, wie es der Spielcharakter Gottes gemacht hätte. Dann aktiviert man den neu geschriebenen Code in sich selbst und sagt „ja“ zu Version 2.0. Wenn man das einmal verpasst hat – keine Sorge, die Anklickboxen schwirren dauernd herum. Es ist nie zu spät, um das Häkchen zu setzen.

Und was passiert mit denen, die einfach herumspacken wollen? Die das Häkchen nie setzen und es immer in vollem Bewusstsein ablehnen? Nun, auch das akzeptiert Gott. Für diese Typen hat der bekannte russische Hacker Sergej Atan Version 6.6.6. des Spiels geschrieben. Diese Version fühlt sich für den Charakter ungefähr so an, als müsse er bei nicht (zu)mute-barem Soundtrack einer japanischen Black-Metal-Band mit unaussprechlichem Namen und zickzackdornenreichem Logo  „Der Planer“ zocken und aus dem Augenwinkel dabei zusehen, wie die kleine Schwester das neue Pre-Release von Assassins Creed ausprobiert und dabei von Gronkh gestreichelt wird. Nicht schön.

So weit Schöpfung, Sündenfall, Erlösung, Himmel, Hölle, die groben Glaubensfakten und das Evangelium für Gamer halt. Demnächst an dieser Stelle: Wie ich den richtigen Code erkenne und mit dem rumspacken aufhören kann …

Das Hypnose-Smartphone des Narziss

Nein, ich bin kein esoterischer Angsthase. Und ja, ich nutze mein Smartphone gern und oft. Aber ich bin mir bewusst, wie es wirkt: Dein Smartphone hypnotisiert Dich. Das ist eine Erkenntnis, die vielen Nutzern verborgen bleibt.

Kennt Ihr den Mythos von Narziss? Der schöne Jüngling aus der griechischen Sagenwelt, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt und zugrunde geht, weil er den Blick nicht mehr abwenden kann? Wenn nein, könnt Ihr ihn hier nachlesen. Es ist die Geschichte von einem, der am Ende vor lauter sich-selbst-anstarren nichts mehr gebacken kriegt.

Der Medienforscher Marshall McLuhan hat diesen Mythos in den 60er-Jahren auf die Neuen Medien übertragen: Der moderne Mensch starrt den Fernsehbildschirm an wie Narziss sein Spiegelbild im Teich und wird dadurch in seinem täglichen Handeln gelähmt. McLuhan bleibt bei diesem recht offensichtlichen Vergleich aber nicht stehen, sondern analysiert den Mythos und damit den modernen Mediennutzer noch tiefer:

Narziss, so behauptet er, konnte sich nur deshalb in sein Spiegelbild verlieben, weil er nicht bemerkte, dass es sich überhaupt um ein Spiegelbild handelte. Narziss ging nach dieser Deutung also nicht zugrunde weil er zu Selbstverliebt war, sondern weil ihm die Erkenntnis darüber fehlte, was mit ihm geschah. Er dachte: „Boah, ist der hübsch!“ und war fest davon überzeugt, dass „der“ ein anderer war. Narziss tappte damit in einen Denkfehler, aus dem er nicht mehr entkommen konnte.

McLuhan weist darauf hin, dass der Name Narziss vom griechischen Wort „narcosis“, also „Betäubung“ stamme. Der narkotisierte Mensch, der sich selbst betrachtet, ohne es zu merken. Neue Medien, so McLuhan, seien „Erweiterungen des Menschen“, Werkzeuge des Bewusstseins. Mit dem Smartphone betrachten wir alle Facetten unseres Menschseins gleichzeitig: Soziale Kontakte, Kunst, Nachrichten. Das nimmt uns ein, das ist ein Spiegel unseres Selbst. Wer das nicht versteht, hockt in der Blockadefalle.

So weit der katholische Konvertit und Medienguru McLuhan. Zurück zu meinem eigenen Smartphone und prüfen wir mal, ob er recht hat: Hypnose, so sagt McLuhan, setzt die Reduktion auf einen oder wenige Sinne voraus. Durch diesen Trick werden die restlichen Sinne ausgeschaltet. Der Zahnarzt setzt zum Beispiel Musik ein, damit die Schmerzempfindlichkeit beim Bohren reduziert wird. Schauen wir also mal:

Narziss und sein Hypnose-Smartphone. Das Smartphone hypnotisiert, ist ein Spiegel des Menschseins

Es tut so unschuldig, aber es hypnotisiert seinen Nutzer: Das veraltete Smartphone des Autors.

Mit dem Kopfhörer stöpsle ich mich an mein Smartphone an, sobald ich in die S-Bahn einsteige. Mit Musik blende ich meine Umgebung aus. Akustische Narkose, Check! Ich verfolge die Ereignisse bei Facebook und Twitter, browse durch Nachrichten, Katzenbilder und Statusupdates, schreibe und lese Nachrichten auf WhatsApp, Facebook und Konsorten – Visuelle Narkose, Check! Wenn mich in diesem Zustand jemand anspricht oder gar anrempelt, ist das ziemlich unangenehm, so als ob ich plötzlich vom Schlaf aufgeweckt werde. Nach McLuhan liegt das daran, dass sich meine Konzentration plötzlich wieder auf alle Sinne ausweitet, ich also vom hypnotisierten wieder zum ganzheitlich stimulierten Menschen werde.

So weit, so verwirrend. Was ist also die Moral von der Geschichte? Die Moral ist ein Spruch, den auch schon die alten Griechen kannten: „Erkenne Dich selbst!“ und, so möchte ich hinzufügen: „Erkenne Dich selbst in den Medien, die Du nutzt!“ Sie sind unser Spiegelbild, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich nicht mehr ohne mein Spiegelbild sein kann, bin ich wie Narziss: Ein Mensch in der Falle.

Wie sollte ich mein Smartphone also nutzen? Wie einen Spiegel: Hin und wieder mal reinschauen ist völlig in Ordnung. Im Starren verharren dagegen sollte man vermeiden. Sonst tappt man in die Falle und sieht ganz nebenbei auch nicht mehr allzu intelligent dabei aus.

 

Deutsche Fundstücke – Teil 1: Die CSU droht.

Deutsche Fundstücke Teil 1

Für „MICH“? Wirklich für „MICH“? Oder eher nur für „SIE“, die Dame Ihres Herzens?

Sooo, herzlich willkommen zu einer neuen Rubrik. „Deutsche Fundstücke“ knipst den ganz alltäglichen Unfug auf unseren Straßen. Einfach so – aus Spaß an der Freude.

Mit Witz-Erklärungsservice im Kommentarbereich … versprochen! 😉

1968 is dead or dying

1968 Buddhastatue aus dem Baumarkt

So isses …

In einem Straßencafé am Kurfürstenplatz sitzt ein Alt-68er-Künstlertyp in weißen Leinenhosen. Sein wallendes Hemd verhüllt schlaffe Haut und Altersleberflecke kaum. Das graue Brusthaar flimmert wie trockenes Stroh im Wind. Es zittert die faltige Hand, als sie eine Zigarette an den Mund führt. Er fühlt sich wie ein einsamer Wolf und sieht aus wie eine halbtote Taube. Er hat den ganzen Unfug eingeführt, der uns heute vom Leben abhält: Coolness, Treibhauseffekt, Überforderung. Wenn man ihn, diese Iggy-Pop-Karikatur, vergleicht mit dem Standard-Spießer der 60er-Jahre, weiß man plötzlich, woher der Spruch kommt: „Dasselbe in grün.“ Daheim, im Hausflur mit dem Parkett und den bunten Batiktüchern an der Wand, steht eine Buddha-Statue aus dem Baumarkt. Sie ersetzt das Kruzifix wie Tofu Fleisch, also nicht wirklich. Das Kreuz war Ausdruck eines Glaubens, der Buddha drückt aus, dass sich sein Besitzer auf keinen Glauben mehr festlegen mag. Buddha ist in diesem Kontext nur noch der Gartenzwerg des grünen Bürgertums; eine ästhetische Geschmacksverirrung mit Schmuckintention.

Die halbtote Taube hustet ohne Hand vorm Mund. Auf dem Nummernschild des Autos seines Sohnes prangt eine 666. Das liegt daran, dass der Bub ein Rebell ist. Er ist das Tier aus der Offenbarung des Johannes; ein Schlimmer, der Lederstiefel trägt und sich ein koreanisches Schriftzeichen auf den Oberarm tätowieren ließ, von dem er immer noch glaubt, es sei chinesisch und bedeute „Drache“. Er ist derart satanisch, dass er trotz seines nicht mehr zarten Alters jährlich zum „Rock im Park“ fährt und es dort so richtig krachen lässt. Der Antichrist lehrt Deutsch und Sport am Gymnasium. Sein Papa sitzt am Kurfürstenplatz und bläst Rauch in einen letzten Cappuccino. Der Schaum quillt über den Tassenrand wie die Lebenslüge des Trinkers über sein nahes Grab.

1968 is dead or dying. In diesem Falle letzteres. Jetzt wird der Leser wohl vermuten, dass der Autor dieses Textes das begrüßt. Das tut er nicht. Zwar ist deutlich zu erkennen, dass hier einiges schief gelaufen ist mit einem konkreten Leben und seiner Vision. Jedoch: Er hat es wenigstens versucht. Ein Satz, der die Alt-68-er allgemein recht treffend zusammenfasst: „Sie haben es wenigstens versucht.“ Dass dadurch alles noch schlimmer wurde, fällt in die Kategorie „Kunstfehler“. Ein Kunstfehler ist keine Entschuldigung für einen verreckten Patienten, aber moralisch dennoch besser, als wenn Doktorchen statt Operieren lieber Golfen gegangen wäre. Die Konservativen sind die Golfer und die Alt-68er die Kunstfehlerproduzenten. Die Sympathie ist eindeutig verteilt.

Schlimm dagegen sind die Neu-68er: Sie, diese rotznäsigen linksfaschistischen Wohlstandsbälger protestieren gegen ein Establishment, das schon ewig und drei Tage ausgestorben ist. Sie wettern gegen Kirche, Patriarchat und Diskriminierung – die da oben aber riechen längst nach Patchouli und freuen sich über solches Gewetter. Die Herrschenden reißen Familien auseinander, Mobilität bis aufs Blut und brutalstmögliche Gleichheit für jeden fordernd. Sie lassen die Alten im Elend sitzen und die Jungen in Kurzzeitverträgen. Aber die Neu-68er opponieren nicht, im Gegenteil: Gemeinsam mit den Mächtigen kämpfen sie auch noch für ihr Unglück. Schnell das Kind in die Krippe abgeschoben, um weiter den Gewinn der Aktionäre und den eigenen Burnout zu befeuern. Yeah, baby, the times they are a-changing. For real. Man kann sich auf ein Altenheim voller Arschgeweihe freuen. Wenn es Altenheime bis dahin noch geben wird. Gut, dass die Taube vom Kurfürstenplatz das nicht mehr erleben wird. Es wäre nicht in ihrem Sinne.

Die Angst des Horst Seehofer

Mann Leute, kaum muss man sich wegen der Flüchtlingskrise mal länger als eine Woche anstrengen, schon haben alle möglichen Horste die Bux voll. Horst Seehofer zum Beispiel. Und kaum sind nicht alle Flüchtlinge Vorzeigemenschen, dreht sich die Stimmung. An alle, die jetzt Angst um Deutschland haben, überlegt mal:
Wem war denn der Nahe Osten, wem war Afrika jahrzehntelang egal? Wer hat sich denn mit allerlei autoritären und totalitären Regimes prächtig arrangiert, gewinnbringend gehandelt und sein Fähnchen dann flott in den Wind des „Arabischen Frühlings“ gedreht, ohne die Hintergründe zu begreifen? Wer hat sich denn in den letzten Jahren des Chaos so gut wie möglich von den Flüchtlingsströmen abgeschottet und die Hauptlast die Anrainerstaaten der Krisen tragen lassen, bis die Krisen zu Kriegen wurden und auch die letzten sicheren Häfen überschwemmten?
Vielleicht Europa? Und das Deutschland, um das ihr jetzt Angst habt?
Vielleicht ist es dann ganz gut, dass es sich demnächst ein wenig ändert. Unbequemer wird es vielleicht. Aber wenigstens das Schlafwandeln ist vorbei. 
 Warum Horst keine existentielle Angst haben muss, habe ich hier dargelegt. Dass er kein Verständnis dafür hat, dass die Kanzlerin Flüchtlinge unregistriert hat einreisen lassen, ist verständlich. Schließlich muss ja alles seine Ordnung haben. Und schließlich ist Deutschland ja ein Drittweltland, in dem jeder bauen kann wo er will, arbeiten kann wo er will (und das auch ohne Bankkonto) und in dem die Sicherheitskräfte so gut wie gar nicht präsent, überfordert sowie schlecht ausgebildet sind. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich die unregistrierten Flüchtlinge ein gallisches Dorf im bayerischen Wald bauen und zur Landtagswahl antreten, wenn wir nicht schnell was unternehmen. Am Ende kommen noch die Russen.
Angst gebiert Chimären. Angst ist nicht christlich, nicht katholisch.
Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind Menschen. Okay, lass unter ihnen im schlimmsten Fall einige hundert Islamisten mit Rauschebart und Bötzelschuhen sein. Aber auch die haben einige tausend Kilometer hinter sich, sind hungrig, durstig und müde. „Gut so“, mag der Horst da sagen. Aber was, wenn unser Land doch nicht so wertneutral, verdorben und verrottet ist, wie viele es darstellen? Was, wenn es fähig ist zur Annahme, zur Aufnahme, zur Fürsorge – zur Feindesliebe? Wird das nicht in den Herzen etwas ändern? Wird nicht auch der dümmste Islamist nachdenklich, wenn alle lieb zu ihm sind? Nein?
Nicht Horst Seehofer, sondern Jesus Christus.

Mit offenen Armen alle empfangen, die Hilfe brauchen. Das ist christlich.

Vielleicht ist das naiv. Christlich ist es allemal. Und – pssst – hier verrate ich mal wieder etwas aus meinen Jahren bei „Kirche in Not“ – ein offenes Geheimnis, das auch die Kollegen von Open Doors kennen: Die Bekehrungen von Muslimen zum Christentum in den Ländern des Nahen Ostens boomen. Warum? Weil sie die Schnauze voll haben vom durch Hassprediger pervertierten Islam und weil es allein christliche Hilfswerke waren, die ihnen in der Not beigestanden sind. Allein christliche Nonnen und Priester sind geblieben, als alle anderen verschwanden.

Alle reden von „Evangelisation“. Jetzt haben wir die große Chance, den Worten Taten folgen zu lassen, aber ganz Katholisch-Facebook jammert den Untergang des Abendlands herbei. Ganz Katholisch-Facebook? Nein, ein kleiner Blog hört nicht auf, den Schwarzmalern Widerstand zu leisten. Hoffentlich kommt jetzt kein Angriff von den anderen Galliern. Ihr wisst schon: Den Unregistrierten aus dem bayerischen Wald.

Kreativ schreiben im eingeschweißten Team …

… in diesem Fall wahrscheinlich unfreiwillig, darum kann mal bitte jemand die armen Teammitglieder aus diesem Tankwagen befreien?

Ts, ts, ts. Da hungert Journalistennachwuchs in unterbezahlten Praktika, aber Konzerne leisten sich Marketingabteilungen mit mangelndem Sprachgefühl. Also, liebe Kinder, zum mitschreiben: Ein „eingeschworenes Team“, das ist was feines, ein „eingeschweißtes Team“ dagegen ist so was.

In diesem Sinne: Aufmerksam bleiben, wirklich kreativ schreiben und die Sprache lieben. Man braucht sie, um verstanden zu werden.

5 Gründe, warum Deutschland Flüchtlinge aufnehmen kann und muss.

Für jeden Quatsch gibt’s im Internet Listen. Darum dachte ich mir: Machst Du mal eine Liste über was Sinnvolles. Zum Beispiel, warum Deutschland Flüchtlinge aufnehmen kann und muss. Und zwar alle, die kommen. Los geht’s!

1.

Unsere Bevölkerung schrumpft dramatisch. Wenn wir unsere Wirtschaftskraft und unseren Lebensstil bewahren wollen, brauchen wir Zuwanderung – und zwar gewaltig! Zwischen 2018 und 2025 werden nicht weniger als 25 Prozent aller Arbeitnehmer bundesweit in Rente gehen – und noch ist niemand da, der sie ersetzt.

2.

Die jetzige gewaltige Flüchtlingswelle besteht aus vielen jungen und gut ausgebildeten Menschen und ihren Familien. Das einzige Hindernis zur Integration in unseren Arbeitsmarkt besteht in den fehlenden Sprachkenntnissen. Wir brauchen darum ein intensives Sprachausbildungs- und Integrationsprogramm für Flüchtlinge vom Moment der Aufnahme an. Wer deutsch spricht, ist weniger fremd. Momentan dürfen Flüchtlinge die ersten Monate nichts tun als Däumchen drehen. Das ist Unsinn! Selbst, wenn sie nach einigen Monaten unser Land wieder verlassen müssen: Einen Deutschkurs sollten sie mitnehmen dürfen.

3.

Wir sind eines der reichsten Länder der Welt mit funktionierender Infrastruktur und stabiler Gesellschaft. Wenn das kleine Jordanien (knapp 7 Millionen Einwohner) weit über eine halbe Million Flüchtlinge ganz allein stemmen kann, sollte uns das zu denken geben. Wenn man das als Maßstab nimmt, müssten wir locker sechs Millionen Flüchtlinge verkraften. Klar geht das nicht nebenher und braucht Anstrengung. Aber wer auf Staatskosten Banken und Privatvermögen retten kann und immenses Geld für auch wirklich noch den allerletzten Schmarrn übrig hat, der kann und muss auch Flüchtlinge aufnehmen. Notfalls müssen dann eben Prioritäten neu geordnet werden, denn Menschenleben und die Abwehr von Chaos und Krieg sind wichtiger als Luxus.

4.

Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ ist zynisch. Denn aus welchen Gründen ein Mensch seine Heimat verlässt, sollte völlig egal sein. Klar ist: Keiner macht das gerne und ohne triftigen Grund. In einer globalisierten Welt, in der Kapital ungehindert Staatsgrenzen überqueren kann, sollte für Menschen dasselbe gelten, sonst ist der Kapitalismus wirklich nur eine andere Form der Sklaverei. Unsere Gesellschaft ist auf dem Prinzip aufgebaut, dass sich jeder durch Leistung selbst versorgen und ein gutes Leben aufbauen kann. Wer keine Leistung erbringen kann, erhält eine Grundsicherung, um nicht zu verhungern. Dieses Sozialstaatsprinzip erkauft uns die öffentliche Ordnung. Die Flüchtlinge, die nun zu uns kommen, haben tausende Kilometer auf abenteuerlichste Weise hinter sich gebracht. Man kann daher von ihrem Leistungswillen ausgehen. Dass sie irgendwem die Arbeit wegnehmen, ist nicht zu befürchten. Dazu ist unsere Gesellschaft zu sehr auf Sprach-, Fach- und Sozialkenntnisse aufgebaut. Bis die Flüchtlinge das einigermaßen gelernt haben vergehen Jahre – und den Vorsprung eines deutschen Facharbeiters in diesen Bereichen holen sie vermutlich nie auf.

Warum Deutschland Flüchtlinge aufnehmen müssen - auch Wirtschaftsflüchtlinge!

Suchbild (groß durch Klicken): Sehen Sie den „Wirtschaftsflüchtling“? Wohl kaum, denn obwohl dieser junge Mann sich sichtlich langweilt, würde er sein Land nie verlassen, wenn ihn nicht ein bärtiger Vollpfosten mit Kalaschnikow dazu zwingt.

5.

Es kommen keine Islamisten oder Kriminelle ins Land, sondern größtenteils ehrliche Leute, die vor solchen Spinnern geflohen sind. Warum ich das so sicher weiß? Weil Kriminelle und Terroristen immer schon genug Geld hatten, um jede Landesgrenze zu überqueren. Geld öffnet die Türen und sowohl die Mafia als auch die Islamistenszene haben Grenzen noch nie aufgehalten. Das Problem der jetzigen Flüchtlinge ist die Geld- und Perspektivlosigkeit. Die größte Sorge der Deutschen scheint es dennoch zu sein, dass die Sicherheit leiden wird. Das kann der Fall sein, wenn die Flüchtlinge in ihren Lagern versauern müssen, die Behörden ihren üblichen Stiefel durchziehen und der öffentliche Dienst nicht schnellstens aufgestockt wird, um Ausbildungsprogramme ins Leben zu rufen. Es muss was passieren und ich bin zuversichtlich, dass die Politik das demnächst kapiert. Sie muss es.