Katholikentag 2016: Das Leiden Christi und das ZdK.

Vergangene Woche bekam ich per Post die Einladung zum Katholikentag 2016.

Nun bin ich per se kein Großveranstaltungsmensch und enthalte mich daher normalerweise der Kritik an solchen Veranstaltungen. Ich würde schließlich auch keine Bierkritik von jemandem lesen wollen, der Bier nicht ausstehen kann. Doch dieser Werbebrief war nun so „besonders“, dass ich ihn zumindest mal einem Dreijährigen zeigen musste. Denn alle im Design tätigen Menschen wissen: Kinder haben ein feines Gefühl für das Wesentliche und einen untrüglichen eingebauten Bullshit-Detektor.

KT-Leipzig_Plakat1-Frau-Kritik, Katholikentag 2016

„Mama, warum ist der Frau schlecht?“ fragte das Kind daraufhin seine Mutter. Warum es das dachte, ist schnell erklärt: Die Dame ist grün im Gesicht! Das ist vielleicht ein Wunschtraum von Katrin Göring-Eckart, aber sonst eher weniger gesund. Was wollte mir das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ (ZdK) mit seiner Einladung sagen? „Uns ist schlecht, aber wir kommen trotzdem zum Katholikentag 2016“?

Nun gehe ich einmal optimistisch davon aus, dass die Farben des Bildes nicht aus parteipolitischen Präferenzen heraus ausgewählt wurden (wobei auch das leider möglich ist). Bestimmt wollen sie gemeinsam mit dem Bildmotiv etwas über den Inhalt des Katholikentages und das Leitwort „Seht, da ist der Mensch“ aussagen. Schau ich also auf die Seite des Katholikentag 2016 und lese dort:

„Seht, da ist der Mensch“ ist ein Leitwort, das Position bezieht. Es lenkt den Blick auf die Leidenden, Benachteiligten, Verfolgten, auf die Schwachen in unserer Welt. Die Bibel überliefert, dass es ist ein Richter war (sic!), der voll Spott diese Worte an sein Publikum richtete und dabei auf einen Angeklagten zeigte, den er auf grausamste Weise hat demütigen und foltern lassen, den er zutiefst in seiner Würde verletzen wollte. Wenn Pontius Pilatus auf den gefolterten und verspotteten Jesus zeigte und die Worte sprach, die für das Leitwort des Katholikentags ausgewählt wurden, „Seht, da ist der Mensch“, dann zeigte er in diesem Menschen Jesus auf den Menschen schlechthin, der da hängen gelassen wurde, draußen vor den Toren der Stadt, ausgegrenzt, am Ende. Aber er zeigte auch auf den Gott, an den wir Christen glauben, einen Gott, der mit den Menschen leidet.

„Ecce homo“, ah, verstehe! Man wollte also einen auf grausamste Weise gedemütigten, benachteiligten Menschen darstellen. Einen, der trotz Rollkragenpulli furchtbar friert, wie die tapfer verschränkten Arme andeuten. Hier, meine Damen und Herren, sehen Sie das Leiden Christi von heute: Kein Kriegsopfer, kein Vertriebener oder Flüchtling, kein Obdachloser, kein Ausgegrenzter. Nein, das Leiden Christi ist heute nach Meinung des Katholikentag 2016 offenbar:

Eine frierende grün-rote Frau im Rollkragenpulli, der ganz doll schlecht ist.

Jetzt ist mir auch schlecht.

Das Papst Franziskus Rezept: Perzept statt Konzept.

Große Verwirrung stiftet Papst Franziskus gerne in allen Kirchenlagern.

Einerseits benennt er klar und deutlich die moralischen Probleme unserer Zeit: Er geißelt Gender-Ideologie und Abtreibung als inakzeptabel, kritisiert Kapitalismus und Auflösung der Familie. Andererseits ist er der Rockstar unter den Päpsten und bringt verwirrende Aktionen, die selbst Jesse Pinkman den Mund offen stehen lassen würden – so wie neulich die Tischzauberer-Nummer während seines USA-Besuchs. Diesen PR-Einlagen lässt er auch konzeptionell Taten Folgen: Er beruft die Familiensynode ein, senkt bürokratische Hürden im Ehenichtigkeitsverfahren, ruft ein Gnadenjahr der Barmherzigkeit aus und verlangt mehr Bescheidenheit von Amtsträgern und Gläubigen.

Papst Franziskus - Bild von Agência Brasil

Papst Franziskus – Bild von Agência Brasil

Was so viele verwirrt ist eine geniale Kommunikationsstrategie, die in der Kirche längst fällig war: Nachdem sich Jahrhundertelang Päpste nur in kompliziert verschwurbelten bürokratischen Ergüssen an die Öffentlichkeit gewandt haben, ignoriert hier einer plötzlich sogar die Printform. Papst Franziskus setzt vor allem Zeichen, Bilder und Gesten ein, um den Menschen den Glauben zu vermitteln. Damit setzt er mehr auf gelebten Glauben, Taten und Bekenntnis, weniger auf Wissen, Kenntnis und theologischen Tiefgang. Wer durch Franziskus zum Glauben kommt, muss nicht unbedingt wissen, was er da glaubt. Entscheidend ist, dass er es „fühlt“ und glaubwürdig lebt. Fans seines Vorgängers Benedikt XVI., des wohl gelehrtesten Papstes der letzten Jahrhunderte, verstört das. Ich gebe zu, ich bin so ein Benedikt-Fan. Es war die scharfe analytische Kraft Ratzingers, die mich fasziniert und stark an den katholischen Glauben gebunden hat. Aber um durch Benedikt zum Glauben zu kommen, muss man enorm viel lesen. Franziskus muss man nur zusehen.

Papst Franziskus setzt auf Perzept statt Konzept

Franziskus erfüllt eine Forderung, die der Medienforscher Marshall McLuhan bereits in den 1960er Jahren an die katholische Kirche gestellt hat: Im elektronischen Kommunikationszeitalter darf sie nicht mehr argumentieren und missionieren wie zu Zeiten des Buchdruck-Monopols. Die erhöhte Kommunikationsgeschwindigkeit dezentralisiert, stellt die vatikanische Bürokratie vor unlösbare Kommunikationsprobleme. Der Jahrhundertelang vorherrschende Versuch, den Glauben als „Konzept“ rational zu vermitteln, wird im Zeitalter elektronischer Medien sinnlos. Fernsehen, Radio und Internet appellieren nicht an unsere linke Gehirnhälfte, die für Analyse zuständig ist. Sie sprechen unsere rechte Hirnhälfte an, die jedes Phänomen ganzheitlich erfassen will. Wenn also heute jemand Armut predigt, aber hinter dem prunkvollen Petersdom wohnt, können wir das nicht akzeptieren. Da kann man argumentieren so viel man will (und es gibt gute Argumente für den Prunk), aber der Augenschein dominiert und die Kirche wird deshalb unglaubwürdig. Franziskus hat das erkannt. Darum vermittelt er den Glauben nicht als Konzept, sondern als Perzept, als subjektive Wahrnehmung.

Folgt man McLuhan, und das tue ich hier, macht Franziskus damit alles richtig. Er folgt dem Vorbild der Heiligen, die alle eines auszeichnet: Sie leben in der Gegenwart. Die Vergangenheit zählt nicht, wurde zurückgelassen. Alles, was sie begleitet, ist das lebendige Wort Gottes, der Logos, Mensch geworden in Jesus Christus und niedergeschrieben im Evangelium. Es ist die Richtschnur für das Handeln der Heiligen und indem er ihnen folgt, hat Franziskus die richtige Richtung vorgegeben. Statt lieber in der sicheren Gewissheit der Vergangenheit zu leben, betritt er Neuland und erfüllt damit die Beschreibung McLuhans für Heilige:

„Heilige wollen in der Gegenwart leben. Darum sind sie unerträglich“

Gelebter Glaube statt theologischen Grabenkämpfen – ein Stein des Anstoßes statt gemütliches Fundament. Mit diesem Papst an der Spitze muss einem nicht bange sein.

Der Rabe ist die Botschaft – wie realistisch ist „Game of Thrones“?

„Game of Thrones“ (GoT), eine der mitreißendsten Fernsehserien der letzten Jahre, schickt uns in eine mittelalterliche Fantasywelt. Charaktere und Welt sind derart gut beschrieben, dass sich auch Historiker und Politikwissenschaftler mit GoT und der Romanvorlage „A Song of Ice and Fire“ beschäftigen. Großes Lob erhielt vor allem die „realistische“ Darstellung von Machtpolitik, Kriegsführung und dem täglichen Leben der Menschen. „Wie das echte Mittelalter“ sei diese Serie und unterscheide sich damit von „romantischeren“ Fantasy-Stoffen wie J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“. Man hört Aussagen wie „Frodo würde in Westeros keine 5 Minuten überleben“. Das klingt wie: „Wacht auf, Kinder, die Märchenstunde ist vorbei, jetzt kommt das harte Leben“! So ein Gefühl mag den Zuschauer der Serie tatsächlich überkommen, denn schließlich sterben die Hauptfiguren wie die Fliegen. Aber ich behaupte: „Game of Thrones“ ist historisch ungenauer und weniger realistisch als „Der Herr der Ringe“. Leicht erkennbar wird das, wenn man sich der Serie kommunikationswissenschaftlich nähert und die in Game of Thrones vorkommenden Medien analysiert.

game of thrones Götterdämmerung

„Game of Thrones“, die Götterdämmerungsgeschichte der Moderne.

Mediengeschichte ist Menschheitsgeschichte. Jede Entwicklungsstufe der Zivilisation wurde von neuen Medien begleitet. Die entscheidendsten Entwicklungen auf diesem Weg waren dabei:

1. Die Schrift.
Durch sie konnten erstmals Geschichten nicht-mündlich überliefert werden. Die frühe Schrift war allerdings noch sehr konkret, d.h. es waren eher gemalte Szenen (Hieroglyphen), die noch viel von der „Magie“ der mündlichen Überlieferung enthielten. Komplexere Zeichenfolgen, wie z.B. die chinesische Schrift, machten es aber bereits möglich, mehrere Symbole aneinanderzureihen und somit jeden Sachverhalt ausreichend genau darzustellen.

2. Das Alphabet.
A, B und C sind abstrakte Zeichen, die nurmehr einzelne Laute symbolisieren. Durch sie wurde es möglich, komplexe Sachverhalte in einer vorher undenkbaren Präzision auszudrücken. Das Aufkommen dieser Technologie fällt mit der ersten Hochphase abendländischer Philosophie zusammen: Platon, Aristoteles und Konsorten konnten nur deshalb so präzise formulieren und dies auch überliefern, weil ihnen das von den Phöniziern übernommene Alphabet zur Verfügung stand. Noch Sokrates fällt in die Vorzeit dieser Technologie: Er lehrte nur mündlich und überließ es seinem Schüler Platon, seine Gedanken in diesem neumodischen Zeug festzuhalten.

3. Der Buchdruck.
Bis ins späte Mittelalter war all das eine Sache für Eliten. Nur wenige konnten schreiben und lesen und jedes Schriftstück musste von Hand angefertigt werden. Der Buchdruck beendete das Zeitalter der Manuskripte (lat. manus = Hand, lat. scribere = schreiben) und leitete eine Zeit des „copy and paste“ ein: Große Massen an Schriftstücken wurden gedruckt, das Monopol der Lehrer wurde gebrochen und immer mehr Menschen lernten Lesen und Schreiben. Durch den Buchdruck wurde die Geschwindigkeit der Kommunikation enorm erhöht. Er leitete außerdem das Zeitalter der Renaissance (= Erneuerung) ein, weil antike Schriften nun in großer Zahl vervielfältigt und in viele Sprachen übersetzt wurden. Dadurch kam es einerseits zu einem „Revival“ antiken Gedankenguts, andererseits zu einer vorher unbekannten Form des Nationalismus. Denn die bisher vorherrschenden „internationalen“ Sprachen Latein und Griechisch wurden nun im großen Stil von den auch Nicht-Eliten verständlichen Volkssprachen ersetzt.

4. Die elektronischen Medien.
All die oben genannten Technologien haben eines gemeinsam: Sie haben das Lernen und Kommunizieren des Menschen immer mehr auf nur einen einzigen Sinn reduziert: Das Auge. Während in einer primitiven Stammesgesellschaft jeder Mensch durch’s sehen, hören, fühlen, schmecken und gestikulieren lernt, ist der moderne Mensch nur auf sein Buch angewiesen. Durch das Auge gerät die Information ins Gehirn – die anderen Sinne sind untätig. Diese Art des Lernens machte erst den „Spezialisten“ und den „Gelehrten“ des 18. und 19. Jahrhunderts möglich und mit diesen Typen entwickelte sich die Methode der Erfindung. Die elektronischen Medien Radio, Fernsehen und heutzutage das Internet brachen den engen Erfahrungsraum des Auges wieder auf und der Mensch lernt seitdem wieder ganzheitlicher. Andererseits wird er damit emotional wieder mehr zum steinzeitlichen „Stammesmenschen“, was der Kommentarbereich bei Youtube und Facebook anschaulich darstellt.

So weit einmal der nötige Background, jetzt zur konkreten Analyse von „Game of Thrones“ und seiner Medien.

I. In welcher Epoche spielt die Serie?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Der Autor George R. R. Martin hat die Handlung an die englischen „Rosenkriege“ angelehnt, die von 1455 bis 1485 tobten. Das wäre sehr spätes Spätmittelalter kurz vor Beginn der Renaissance. Allerdings deuten die meisten Technologien der Serie darauf hin, dass die Zivilisationen auf dem Kontinent der Haupthandlung (Westeros) noch im Hochmittelalter feststecken: Das Rittertum und Feudalwesen ist in voller Blüte, es finden regelmäßig Turniere statt. Die Belagerungswaffen sind noch Katapulte statt Kanonen, Bogen und Armbrust sind die gebräuchlichen Schusswaffen. Keine Spur also vom bereits im 14. Jahrhundert gebräuchlichen Schwarzpulver. Lediglich „Wildfire“, also eine etwas aufgepeppte Version des bereits in der Antike bekannten „Griechischen Feuers“, ist bekannt und gefürchtet. Kommunikation ist kein Problem, egal ob grimmiger Nordmann oder heißblütiger Südländer: Man versteht sich. Das deutet auf eine gemeinsame Sprache zumindest unter den Eliten hin. Und bei allem Gezänk: Nationen in unserem Sinne kennt Westeros nicht. Volk, Sprache und Gebiet sind zweitrangig, wichtig ist allein die Zugehörigkeit zum Lehnsherrn und seiner Familie.

II. Medien im Hochmittelalter.
Wenn sich Westeros im Hochmittelalter befindet, sind die vorherrschenden „Medien“ einer kleinen Elite vorbehalten: Manuskripte finden sich vor allem in Klöstern und einigen wenigen Universitäten. Adlige Mönche und Gelehrte tauschen sich persönlich und durch berittene Boten aus und bewahren in ihrer Kammer das Wissen, indem sie es handschriftlich kopieren. Der Wissensaustausch geschieht dadurch extrem langsam und – jetzt wird es entscheidend: „Medien“, wie wir sie heute kennen gibt es noch nicht. Wissen wird noch ausschließlich persönlich gelehrt, von Person zu Person weitergegeben. Das hat zur Folge, dass wir es noch nicht mit dem heute üblichen schriftlichen Diskurs und der klaren Spezialisierung der Berufsstände, sondern mit einer rein mündlichen Überlieferung zu tun haben, die durch die Manuskripte nur „Gedächtnisstützen“ erhält. Den letzten Satz bitte noch ein paar Mal lesen, er ist so kompliziert wie die Sache selbst. 😉 Entscheidend ist: Informationen wurden im Hochmittelalter nicht medial sondern persönlich übermittelt. Und das hatte direkte Auswirkungen auf den Menschen und die Gesellschaft.

III. Das Menschenbild des Mittelalters: Stand und Rolle.
Die erste Auswirkung dieser direkten Informationsweitergabe ist es, dass jeder Stand unter sich bleibt: Adlige diskutierten mit Adligen, der Rest konnte ohnehin nicht lesen und um die Ecke denken. Durch die persönliche Lehre von Mensch zu Mensch waren alle Sinne im Lernprozess eingebunden, man suchte daher in allen Bereichen umfassende Welterklärungsmodelle zu erstellen. So ging es überspitzt formuliert zum Beispiel in der Medizin nicht nur darum, einen Schnupfen zu heilen, sondern im Schnupfen eine Störung zwischen Mensch und Gott zu erkennen: Theologie und Medizin verknüpft. Ähnlich ganzheitlich wurde die Rolle des Menschen in der Gesellschaft gesehen: Er war kein Facharbeiter und Spezialist, sondern spielte eine Rolle. Besonders deutlich wird das im Fall des Königs: Lange Abhandlungen existieren über die Unterscheidung zwischen dem (ewigen) Königtum als Rolle und dem (sterblichen) Menschen, der sie „spielt“. Der Maßstab des Mittelalters war die Ewigkeit. Darum erscheint uns diese Epoche heute oft so irrational. Denn unser Maßstab, der Maßstab des modernen Menschen ist allein die materielle Welt, das „Hier und Heute“ und wie wir es möglichst komfortabel gestalten. Dieses Denken war dem Mittelalter fremd: Man lebte für die Ewigkeit und war überzeugt, dass man sein Seelenheil am besten sicherte, indem man seiner Rolle als Bauer, Handwerker, Ritter, Burgfräulein oder König folgte.

IV. Realismus-Check: „Game of Thrones“ vs. „Herr der Ringe“:
Warum „Game of Thrones“ auf uns moderne Menschen so „realistisch“ wirkt, liegt daran, dass sich die Charaktere NICHT so verhalten wie eben beschrieben. Es sind vielmehr moderne Menschen wie wir, die ihre Welt lediglich mit mittelalterlichen Instrumenten gestalten. Spezialisten wie den reinen Spion Varys, den reinen Haudruff Sandor Clegane, den berechnenden Machiavelli Tywin Lannister oder auch den Schmied Gendry gab es im Mittelalter so nicht. Es sind Figuren der Renaissance, Kinder des Buchdruck-Zeitalters. Auch die auf den ersten Blick „ritterlichsten“ Figuren der Serie – die Starks – sind bei genauem Hinsehen eine Bande berechnender Verräter. Dass sie „ritterlich“ wirken, liegt einzig daran, dass sie den Schritt vom Mittelalter in die Renaissance erst kürzlich getan haben, während die Lannisters – sinnbildlich gesprochen – schon kurz vor der Industrialisierung stehen. Der Reiz der Serie ist ein Aufeinanderprallen von Mittelalter und Renaissance: Moderne Menschen kämpfen hier um die Vorherrschaft. Ganz anders im „Herrn der Ringe“: Hier ist jeder Charakter an seinem Platz, erfüllt seine Rolle: Egal ob Gandalf, der Zauberer, Frodo, der Hobbit, Aragorn, der Mensch und (versteckte) König, ja sogar der „dunkle Herrscher“ – sie alle erfüllen ihre Rolle im kosmischen Weltplan der Schöpfung. So einen Plan gibt es bei „Game of Thrones“ nicht: Jeder kämpft für sich selbst, für seine Sache. Die interessantesten Akteure der Serie, Tyrion, Littlefinger und Ayra sind Individualisten – in die Welt geworfene moderne Menschen, die das Beste oder Schlechteste daraus machen wollen.

Fazit im Realismus-Check: „Der Herr der Ringe“ spiegelt mittelalterliches Lebensgefühl wider, „Game of Thrones“ handelt von kostümierten modernen Menschen.

V. Der letzte Beweis: Die Raben.
Am Anfang hatte ich versprochen, „Game of Thrones“ medial zu analysieren. Bis jetzt habe ich das Hauptmedium der Serie aber noch gar nicht erwähnt: Die Raben. Sie sind die Telegrammboten von Westeros, die Nachrichten flügelschnell von A nach B bringen. Im Verlauf der Handlung werden sie durch weitere, noch schnellere Kommunikationsmittel ergänzt. Ohne die Raben würde die Handlung nicht funktionieren, denn moderne Menschen brauchen schnelle Kommunikationsmittel, um auf dem Laufenden zu bleiben. Information ist die Waffe der Moderne und die Helden in Westeros sind durch Raben und Magie bereits beinahe in der Geschwindigkeit der vierten medialen Entwicklungsepoche (Die elektronischen Medien) angelangt. Und das, obwohl ihre Zivilisation es noch nicht einmal zum Buchdruck (Epoche 3) gebracht hat.

„Das Medium ist die Botschaft“

Dieser Satz stammt vom Kommunikationswissenschaftler Marschall McLuhan. Er meinte damit unter anderem: Die Kommunikationsmittel prägen den Menschen und geben Aufschluss über seine Entwicklung. Auf „Game of Thrones“ bezogen kann man also sagen: „Der Rabe ist die Botschaft.“ Er weißt darauf hin, dass das Mittelalter in Westeros gar nicht so mittelalterlich ist. Wir sehen vielmehr ein modernes Bild des Mittelalters – und das ist wohl auch ein Grund dafür, warum die Serie erfolgreicher ist als die realistischeren Historienschinken.