1968 is dead or dying

1968 Buddhastatue aus dem Baumarkt

So isses …

In einem Straßencafé am Kurfürstenplatz sitzt ein Alt-68er-Künstlertyp in weißen Leinenhosen. Sein wallendes Hemd verhüllt schlaffe Haut und Altersleberflecke kaum. Das graue Brusthaar flimmert wie trockenes Stroh im Wind. Es zittert die faltige Hand, als sie eine Zigarette an den Mund führt. Er fühlt sich wie ein einsamer Wolf und sieht aus wie eine halbtote Taube. Er hat den ganzen Unfug eingeführt, der uns heute vom Leben abhält: Coolness, Treibhauseffekt, Überforderung. Wenn man ihn, diese Iggy-Pop-Karikatur, vergleicht mit dem Standard-Spießer der 60er-Jahre, weiß man plötzlich, woher der Spruch kommt: „Dasselbe in grün.“ Daheim, im Hausflur mit dem Parkett und den bunten Batiktüchern an der Wand, steht eine Buddha-Statue aus dem Baumarkt. Sie ersetzt das Kruzifix wie Tofu Fleisch, also nicht wirklich. Das Kreuz war Ausdruck eines Glaubens, der Buddha drückt aus, dass sich sein Besitzer auf keinen Glauben mehr festlegen mag. Buddha ist in diesem Kontext nur noch der Gartenzwerg des grünen Bürgertums; eine ästhetische Geschmacksverirrung mit Schmuckintention.

Die halbtote Taube hustet ohne Hand vorm Mund. Auf dem Nummernschild des Autos seines Sohnes prangt eine 666. Das liegt daran, dass der Bub ein Rebell ist. Er ist das Tier aus der Offenbarung des Johannes; ein Schlimmer, der Lederstiefel trägt und sich ein koreanisches Schriftzeichen auf den Oberarm tätowieren ließ, von dem er immer noch glaubt, es sei chinesisch und bedeute „Drache“. Er ist derart satanisch, dass er trotz seines nicht mehr zarten Alters jährlich zum „Rock im Park“ fährt und es dort so richtig krachen lässt. Der Antichrist lehrt Deutsch und Sport am Gymnasium. Sein Papa sitzt am Kurfürstenplatz und bläst Rauch in einen letzten Cappuccino. Der Schaum quillt über den Tassenrand wie die Lebenslüge des Trinkers über sein nahes Grab.

1968 is dead or dying. In diesem Falle letzteres. Jetzt wird der Leser wohl vermuten, dass der Autor dieses Textes das begrüßt. Das tut er nicht. Zwar ist deutlich zu erkennen, dass hier einiges schief gelaufen ist mit einem konkreten Leben und seiner Vision. Jedoch: Er hat es wenigstens versucht. Ein Satz, der die Alt-68-er allgemein recht treffend zusammenfasst: „Sie haben es wenigstens versucht.“ Dass dadurch alles noch schlimmer wurde, fällt in die Kategorie „Kunstfehler“. Ein Kunstfehler ist keine Entschuldigung für einen verreckten Patienten, aber moralisch dennoch besser, als wenn Doktorchen statt Operieren lieber Golfen gegangen wäre. Die Konservativen sind die Golfer und die Alt-68er die Kunstfehlerproduzenten. Die Sympathie ist eindeutig verteilt.

Schlimm dagegen sind die Neu-68er: Sie, diese rotznäsigen linksfaschistischen Wohlstandsbälger protestieren gegen ein Establishment, das schon ewig und drei Tage ausgestorben ist. Sie wettern gegen Kirche, Patriarchat und Diskriminierung – die da oben aber riechen längst nach Patchouli und freuen sich über solches Gewetter. Die Herrschenden reißen Familien auseinander, Mobilität bis aufs Blut und brutalstmögliche Gleichheit für jeden fordernd. Sie lassen die Alten im Elend sitzen und die Jungen in Kurzzeitverträgen. Aber die Neu-68er opponieren nicht, im Gegenteil: Gemeinsam mit den Mächtigen kämpfen sie auch noch für ihr Unglück. Schnell das Kind in die Krippe abgeschoben, um weiter den Gewinn der Aktionäre und den eigenen Burnout zu befeuern. Yeah, baby, the times they are a-changing. For real. Man kann sich auf ein Altenheim voller Arschgeweihe freuen. Wenn es Altenheime bis dahin noch geben wird. Gut, dass die Taube vom Kurfürstenplatz das nicht mehr erleben wird. Es wäre nicht in ihrem Sinne.

Die Angst des Horst Seehofer

Mann Leute, kaum muss man sich wegen der Flüchtlingskrise mal länger als eine Woche anstrengen, schon haben alle möglichen Horste die Bux voll. Horst Seehofer zum Beispiel. Und kaum sind nicht alle Flüchtlinge Vorzeigemenschen, dreht sich die Stimmung. An alle, die jetzt Angst um Deutschland haben, überlegt mal:
Wem war denn der Nahe Osten, wem war Afrika jahrzehntelang egal? Wer hat sich denn mit allerlei autoritären und totalitären Regimes prächtig arrangiert, gewinnbringend gehandelt und sein Fähnchen dann flott in den Wind des „Arabischen Frühlings“ gedreht, ohne die Hintergründe zu begreifen? Wer hat sich denn in den letzten Jahren des Chaos so gut wie möglich von den Flüchtlingsströmen abgeschottet und die Hauptlast die Anrainerstaaten der Krisen tragen lassen, bis die Krisen zu Kriegen wurden und auch die letzten sicheren Häfen überschwemmten?
Vielleicht Europa? Und das Deutschland, um das ihr jetzt Angst habt?
Vielleicht ist es dann ganz gut, dass es sich demnächst ein wenig ändert. Unbequemer wird es vielleicht. Aber wenigstens das Schlafwandeln ist vorbei. 
 Warum Horst keine existentielle Angst haben muss, habe ich hier dargelegt. Dass er kein Verständnis dafür hat, dass die Kanzlerin Flüchtlinge unregistriert hat einreisen lassen, ist verständlich. Schließlich muss ja alles seine Ordnung haben. Und schließlich ist Deutschland ja ein Drittweltland, in dem jeder bauen kann wo er will, arbeiten kann wo er will (und das auch ohne Bankkonto) und in dem die Sicherheitskräfte so gut wie gar nicht präsent, überfordert sowie schlecht ausgebildet sind. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich die unregistrierten Flüchtlinge ein gallisches Dorf im bayerischen Wald bauen und zur Landtagswahl antreten, wenn wir nicht schnell was unternehmen. Am Ende kommen noch die Russen.
Angst gebiert Chimären. Angst ist nicht christlich, nicht katholisch.
Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind Menschen. Okay, lass unter ihnen im schlimmsten Fall einige hundert Islamisten mit Rauschebart und Bötzelschuhen sein. Aber auch die haben einige tausend Kilometer hinter sich, sind hungrig, durstig und müde. „Gut so“, mag der Horst da sagen. Aber was, wenn unser Land doch nicht so wertneutral, verdorben und verrottet ist, wie viele es darstellen? Was, wenn es fähig ist zur Annahme, zur Aufnahme, zur Fürsorge – zur Feindesliebe? Wird das nicht in den Herzen etwas ändern? Wird nicht auch der dümmste Islamist nachdenklich, wenn alle lieb zu ihm sind? Nein?
Nicht Horst Seehofer, sondern Jesus Christus.

Mit offenen Armen alle empfangen, die Hilfe brauchen. Das ist christlich.

Vielleicht ist das naiv. Christlich ist es allemal. Und – pssst – hier verrate ich mal wieder etwas aus meinen Jahren bei „Kirche in Not“ – ein offenes Geheimnis, das auch die Kollegen von Open Doors kennen: Die Bekehrungen von Muslimen zum Christentum in den Ländern des Nahen Ostens boomen. Warum? Weil sie die Schnauze voll haben vom durch Hassprediger pervertierten Islam und weil es allein christliche Hilfswerke waren, die ihnen in der Not beigestanden sind. Allein christliche Nonnen und Priester sind geblieben, als alle anderen verschwanden.

Alle reden von „Evangelisation“. Jetzt haben wir die große Chance, den Worten Taten folgen zu lassen, aber ganz Katholisch-Facebook jammert den Untergang des Abendlands herbei. Ganz Katholisch-Facebook? Nein, ein kleiner Blog hört nicht auf, den Schwarzmalern Widerstand zu leisten. Hoffentlich kommt jetzt kein Angriff von den anderen Galliern. Ihr wisst schon: Den Unregistrierten aus dem bayerischen Wald.

Kreativ schreiben im eingeschweißten Team …

… in diesem Fall wahrscheinlich unfreiwillig, darum kann mal bitte jemand die armen Teammitglieder aus diesem Tankwagen befreien?

Ts, ts, ts. Da hungert Journalistennachwuchs in unterbezahlten Praktika, aber Konzerne leisten sich Marketingabteilungen mit mangelndem Sprachgefühl. Also, liebe Kinder, zum mitschreiben: Ein „eingeschworenes Team“, das ist was feines, ein „eingeschweißtes Team“ dagegen ist so was.

In diesem Sinne: Aufmerksam bleiben, wirklich kreativ schreiben und die Sprache lieben. Man braucht sie, um verstanden zu werden.

5 Gründe, warum Deutschland Flüchtlinge aufnehmen kann und muss.

Für jeden Quatsch gibt’s im Internet Listen. Darum dachte ich mir: Machst Du mal eine Liste über was Sinnvolles. Zum Beispiel, warum Deutschland Flüchtlinge aufnehmen kann und muss. Und zwar alle, die kommen. Los geht’s!

1.

Unsere Bevölkerung schrumpft dramatisch. Wenn wir unsere Wirtschaftskraft und unseren Lebensstil bewahren wollen, brauchen wir Zuwanderung – und zwar gewaltig! Zwischen 2018 und 2025 werden nicht weniger als 25 Prozent aller Arbeitnehmer bundesweit in Rente gehen – und noch ist niemand da, der sie ersetzt.

2.

Die jetzige gewaltige Flüchtlingswelle besteht aus vielen jungen und gut ausgebildeten Menschen und ihren Familien. Das einzige Hindernis zur Integration in unseren Arbeitsmarkt besteht in den fehlenden Sprachkenntnissen. Wir brauchen darum ein intensives Sprachausbildungs- und Integrationsprogramm für Flüchtlinge vom Moment der Aufnahme an. Wer deutsch spricht, ist weniger fremd. Momentan dürfen Flüchtlinge die ersten Monate nichts tun als Däumchen drehen. Das ist Unsinn! Selbst, wenn sie nach einigen Monaten unser Land wieder verlassen müssen: Einen Deutschkurs sollten sie mitnehmen dürfen.

3.

Wir sind eines der reichsten Länder der Welt mit funktionierender Infrastruktur und stabiler Gesellschaft. Wenn das kleine Jordanien (knapp 7 Millionen Einwohner) weit über eine halbe Million Flüchtlinge ganz allein stemmen kann, sollte uns das zu denken geben. Wenn man das als Maßstab nimmt, müssten wir locker sechs Millionen Flüchtlinge verkraften. Klar geht das nicht nebenher und braucht Anstrengung. Aber wer auf Staatskosten Banken und Privatvermögen retten kann und immenses Geld für auch wirklich noch den allerletzten Schmarrn übrig hat, der kann und muss auch Flüchtlinge aufnehmen. Notfalls müssen dann eben Prioritäten neu geordnet werden, denn Menschenleben und die Abwehr von Chaos und Krieg sind wichtiger als Luxus.

4.

Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ ist zynisch. Denn aus welchen Gründen ein Mensch seine Heimat verlässt, sollte völlig egal sein. Klar ist: Keiner macht das gerne und ohne triftigen Grund. In einer globalisierten Welt, in der Kapital ungehindert Staatsgrenzen überqueren kann, sollte für Menschen dasselbe gelten, sonst ist der Kapitalismus wirklich nur eine andere Form der Sklaverei. Unsere Gesellschaft ist auf dem Prinzip aufgebaut, dass sich jeder durch Leistung selbst versorgen und ein gutes Leben aufbauen kann. Wer keine Leistung erbringen kann, erhält eine Grundsicherung, um nicht zu verhungern. Dieses Sozialstaatsprinzip erkauft uns die öffentliche Ordnung. Die Flüchtlinge, die nun zu uns kommen, haben tausende Kilometer auf abenteuerlichste Weise hinter sich gebracht. Man kann daher von ihrem Leistungswillen ausgehen. Dass sie irgendwem die Arbeit wegnehmen, ist nicht zu befürchten. Dazu ist unsere Gesellschaft zu sehr auf Sprach-, Fach- und Sozialkenntnisse aufgebaut. Bis die Flüchtlinge das einigermaßen gelernt haben vergehen Jahre – und den Vorsprung eines deutschen Facharbeiters in diesen Bereichen holen sie vermutlich nie auf.

Warum Deutschland Flüchtlinge aufnehmen müssen - auch Wirtschaftsflüchtlinge!

Suchbild (groß durch Klicken): Sehen Sie den „Wirtschaftsflüchtling“? Wohl kaum, denn obwohl dieser junge Mann sich sichtlich langweilt, würde er sein Land nie verlassen, wenn ihn nicht ein bärtiger Vollpfosten mit Kalaschnikow dazu zwingt.

5.

Es kommen keine Islamisten oder Kriminelle ins Land, sondern größtenteils ehrliche Leute, die vor solchen Spinnern geflohen sind. Warum ich das so sicher weiß? Weil Kriminelle und Terroristen immer schon genug Geld hatten, um jede Landesgrenze zu überqueren. Geld öffnet die Türen und sowohl die Mafia als auch die Islamistenszene haben Grenzen noch nie aufgehalten. Das Problem der jetzigen Flüchtlinge ist die Geld- und Perspektivlosigkeit. Die größte Sorge der Deutschen scheint es dennoch zu sein, dass die Sicherheit leiden wird. Das kann der Fall sein, wenn die Flüchtlinge in ihren Lagern versauern müssen, die Behörden ihren üblichen Stiefel durchziehen und der öffentliche Dienst nicht schnellstens aufgestockt wird, um Ausbildungsprogramme ins Leben zu rufen. Es muss was passieren und ich bin zuversichtlich, dass die Politik das demnächst kapiert. Sie muss es.

Flüchtlinge in Deutschland: Wir können und müssen sie aufnehmen!

Ich habe lange gezögert, Texte über Flüchtlinge in Deutschland zu schreiben. Die ganze Diskussion ist recht komplex und wird emotional bis hysterisch geführt. Man kann sich daran eigentlich nur die Finger verbrennen. Warum ich in dieser Woche nun doch eine Textreihe dazu verfasse, hat nur einen Grund: Ich habe ein bisschen Ahnung vom Thema, weil ich sechs Jahre lang hier gearbeitet habe, weltweite Flüchtlingstragödien beobachtet und Flüchtlingen in Deutschland geholfen habe. Ahnung verpflichtet, also los.

Flüchtlinge in Deutschland haben es besser als im Nahen Osten und das ist gut so!

Diese Kirche in Jordanien ist zu klein, die Flüchtlinge müssen draußen mitbeten. Das Land hat knapp 7 Millionen Einwohner, über eine halbe Million davon sind Flüchtlinge.

Viele Menschen glauben, wir könnten nicht so viele Flüchtlinge aufnehmen. Das ist verständlich, denn man muss schon diverse nicht allzu offensichtliche Fakten kennen, um zu verstehen, warum wir schon aus Eigennutz so viele Flüchtlinge – vor allem aus dem Nahen Osten – aufnehmen sollten wie nur irgendwie möglich. Eine Liste dieser Fakten gibt’s morgen hier an gleicher Stelle, also klicken Sie rein!

Moralisch haben wir diese Verpflichtung darüber hinaus, weil wir nicht genug getan haben, um das herrschende Chaos in Afrika und im Nahen Osten zu verhindern und zu unterbinden. Die treibende destabilisierende Kraft im Nahen und Mittleren Osten heißt Saudi-Arabien. Ein totalitärer Staat und unser bester Buddy in der Region. Seinen Interessen haben wir im Nahen Osten die Irak-Kriege und den Islamischen Staat sowie in Afrika Boko Haram zu verdanken. Von dort stammt das allermeiste von dem, was man heute so „Islamismus“ nennt. Weil uns die Arabische Halbinsel immer schon wichtiger war als der Rest des Nahen Ostens – Israel eingeschlossen – und weil wir zu islamophob, xenophob und wirtschaftsfixiert waren, um die realen Zusammenhänge der Region erfassen zu wollen, haben wir es zugelassen, dass die vielfältige und größtenteils friedfertige islamische Kultur von finanzstarken Fanatikern aus Saudi-Arabien und dessen Satellitenstaaten zerschlagen, gleichgeschaltet und als „radikaler Islam“ wiederaufgebaut wurde. Herzlichen Glückwunsch, lieber Westen! Die Quittung ist dieser Flüchtlingsstrom.

Die Reaktion des offiziellen Deutschland und seiner Bürger auf diese Herausforderung macht mich bisher stolz. Die großartige Begrüßung der vorwiegend syrischen Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof Anfang September und die klaren Worte von Kanzlerin Angela Merkel sind genau das Gegenteil von dem, was jeder erwartet hätte, der nur das Mediengekreische für bare Münze genommen hat. Die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte sind die dunkle Seite der Medaille. Die Täter sind in meinen Augen große Kinder, die trotz Globalisierung und (vermutlich) eigenem Auto zumindest geistig noch nie über die Gassi-Reichweite ihres Kampfhundes hinausgekommen sind. Ihre Anstifter dagegen sind unserem Verfassungsschutz bekannt. Man muss sich daher ernsthaft fragen, wieso nicht energischer gegen diesen Rechtsterrorismus vorgegangen wird. Das ist eine noch unerledigte Hausaufgabe unserer Sicherheitskräfte.

Als Christ kommt für mich noch eine weitere Dimension hinzu: Die Geschichte vom Barmherzigen Samariter und die klare Aufforderung Jesu, jedem, aber auch wirklich jedem zu helfen, der Hilfe braucht, lässt nicht den kleinsten Raum für Sprüche wie „das Boot ist voll“. Selbst wenn das wahr wäre (was es in Deutschland keinesfalls ist), hätte ich als Christ die Verpflichtung, jeden mit in meinen Rettungsring zu nehmen, der ihn braucht. Wem das zu radikal ist, den verstehe ich. Wenn derjenige sich dann aber noch „Christ“ nennt, finde ich das irgendwie inkonsequent.

Kreative Texte: Welpling Släsch Werbetexter

Geld ist keins da. Nicht für kreative Texte, nicht für Staaten und auch nicht für dieses winzige rote Tierchen, das im Sommer immer über meine Terrasse krabbelt. „Rote Samtmilbe“ nennt sich dieses laufende Staubkorn Släsch Spinnentier. Man sagt jetzt ja nicht mehr „Querstrich“. Man sagt Slash und schreibt den englischen Schmarrn dann Deutsch, sagt der pensionierte Oberstudienrat. Släsch. Klingt wie eine Kölschrockband. Bläck Fööss, Släsch, Würg.

Kreative Texte von Werbetextern oder Welplingen, das ist hier die Frage!

Werbetexter schreiben gerne kreative Texte auf Bilder.

Weit verbreitet ist die Rote Samtmilbe in Mitteleuropa und das hat sie mit dem Beruf des Werbetexters gemein. Gemein wäre es, zu behaupten, sie sei genauso nützlich. Denn immerhin ist sie nützlicher als der „Winzige Purpurrote Welpling“. Dieses Tier wurde vom Internet zunächst ausgespuckt, als ich nach „winzigen roten Tierchen auf meiner Terrasse“ fahndete. Was das Internet eigentlich hätte wissen können, ist, dass der „Winzige Purpurrote Welpling“ nicht auf meiner Terrasse, sondern ausschließlich im virtuellen Sumpf des Onlinerollenspiels „World of Warcraft“ endemisch ist. Der Welpling sieht aus wie ein Drache und dient rein dekorativen Zwecken. Seine Haupteigenschaft ist, dass er „sehr selten droppt“. So jammern zumindest die Damen und Herren Onlinerollenspieler. „Droppen“ ist, wenn man ein Viech kloppt bis es Hops geht und es zum Dank sein gesamtes Hab und Gut fallen lässt. Fallen lassen ist Deutsch, droppen ist nicht Englisch. Heißt aber trotzdem so. Das gedroppte Zeug sammelt man auf und ist um ein paar Ork-Tampons reicher. Gemäß der Klopp-Dropp-Dialektik der Online-Gamer-Community droppt der Welpling ausschließlich aus Fabelwesen namens „Gnolle der Moosfelle“ oder „Fallensteller der Dunkeleisenzwerge“. Bei solch kryptischen Zuständen ist es verständlich, dass manche nicht aufs Droppen warten wollen und sich den Welpling einfach beim nächsten Schacherzwerg kaufen. Bis zu 15.000 Goldstücke will so ein Schacherzwerg für das Viech. Bringen tut der teure Welpling dem Spieler zwar nix, aber er sieht gut aus.

Es wäre gemein zu sagen: Ebenso wie ein Werbetexter. Wobei: Warum eigentlich? Dass Werbetexter die hübschesten Menschen auf Gottes Erdball sind, ist doch ein toller Claim. Egal ob Sommer oder Winter – immer finden sie Wege, ihre Brustbehaarung ans Tageslicht zu bringen. Sie duften wie die Toskana an einem schwülen Sommerabend und gebieten über beeindruckend glatte Haut. Regelmäßig wachsen sie sich die Oberlippe und singen dazu „I´ve got the power!“. Sie sind eine Augenweide. Geboren, um beglotzt zu werden. Gelesen jedoch … nun ja … urteilen Sie selbst:

„Tetra Pak Getränkekartons bestehen größtenteils aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz, das überwiegend aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern stammt.“

Tapfer formuliert. Mit Einschränkungen. So enthält der Satz zwei beliebte Schwafelwörter aus dem Arsenal jener, deren Leben auf Anraten ihrer Anwälte vor allem „auf der sicheren Seite“ zu verlaufen hat. „Größtenteils“ und „überwiegend“ sind grundsolide Abwiegelungsgeschwister. Nahe Verwandte von Onkel „oft“ und Tante „teilweise“, wenn auch nicht ganz so verkommen wie das öffentlich-rechtliche „offenbar“ und dessen eher in Zeitungen heimischer Halbbruder „offensichtlich“. Die Geschwister lassen manches offen. So zum Beispiel, welche Rohstoffe außer Holz bei der Herstellung von Tetra Paks denn nun noch zum Einsatz kommen? Plastik und Lerchenkotze? Man täts gern wissen und sein grünes Gewissen updaten. Noch mehr interessiert das Gewissen aber, woher das restliche Holz stammt. Jenes, das, wie das„überwiegend“ andeutet, nicht in den „verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern“ gedieh. Die Antwort kann nur sein, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil unserer Tetra Paks von Fallenstellern der Dunkeleisenzwerge in der grünen Lunge des Amazonas raubgewildert und an gierige Schacherzwerge verhökert wurde.

Fiese Schacherzwerge! Bei all der Wachsamkeit, die hierzulande der Geißel des Rassismus und der Intoleranz entgegengebracht wird, kann man sich nur wundern, welche Ausgeburten des Antisemitismus einem unwidersprochen in Computerspielen begegnen. Die Gattung der Schacherzwerge ist das augenscheinlichste Beispiel. In so gut wie jedem Fantasy-Spiel begegnen einem bucklige Zwerge mit „hübschen Zinken“ (frei nach Walter Moers). Selbst an Backenbart und Löckchen mangelt es ihnen nicht. Werden die Spieleentwickler und Grafiker aber deswegen an den öffentlichen Pranger gestellt? Müssen sie Abbitte leisten und Michel Friedmans Haare ablecken? Nein, müssen sie nicht. Denn Herr Friedman verbringt seine Freizeit mitnichten damit, Winzige Purpurrote Welplinge zu jagen und dafür darf man ihn achten. Auch der Mossad hat seinerseits kein Interesse an Gnollen. Also schachern die Zwerge unwidersprochen weiter.

Doch genug von Fabelwesen und weiter im Tetra-Pak-Text:

„Werden die Tetra Paks nach Gebrauch in gelben Tonnen oder Säcken gesammelt, sind sie anschließend wieder verwertbar.“

Das ist schön. Schade allerdings, dass Tetra Paks absolut unverwertbar werden, sollte eine arme Seele sie – sagen wir – in roten Tonnen sammeln. Oder in Eimern. Oder unter dem Bett. Die wunderbaren Erzeugnisse aus Holz, Plastik und Lerchenkotze würden sich bei so einer Behandlung auf der Stelle kräuseln wie die Schuhe der Bösen Hexe des Ostens, würden schmelzen wie das Gesicht des die Bundeslade öffnenden Nazis im „Jäger des verlorenen Schatzes“, vergehen wie die Paarungsgelegenheiten eines Cineasten.

Daraus soll man Milch trinken?

Darum: Nur ansehen, nicht lesen, die Werbetexter. Manch andere Kreative muss man aber leider notgedrungen ranlassen. Zum Beispiel, wenn man sich eine eigene Internetseite zulegen will. Denn leider droppt gutes Design selten und Feld-, Wald- und Wiesenseiten nach dem Baukastensystem sind etwas für Klempner, Anwälte und sonstige Wurstfinger. Also den Experten geholt. Der sagt tausendmal „template“ in der Minute, das ist einigermaßen Englisch und heißt Schablone.  Weiß man also, was Schablone einigermaßen auf Englisch heißt und träumt die ganze Nacht vom wallenden Brusthaar des Experten. Am nächsten Morgen kitzelt einen die Sommersonne an der Nasenspitze. Fröhlich schlägt man die Augen auf und sieht, dass nicht die Sonne kitzelte, sondern ein Winziger Purpurroter Welpling, der einem auf der Brust hockt und dadurch das Designeralpdrücken verursacht hat. Ist man also endlich übergeschnappt, denkt man erleichtert, bis man den Laptop entdeckt in dem der Welpling haust und dessen Gebläse einem die Nippel steif pustet. Der Laptop drückte also wegen des Ranlassens. Musste man die Schablone doch überdenken. Bleibt nur ein Problem: Geld ist keins da.

Der Internetheini will aber welches und unterscheidet sich dadurch von Russlanddeutschen Wehrdienstleistenden. Die antworten auf jeden Befehl nämlich nicht „Jawoll“, sondern „Ich wiiiill nicht“ plus Begründung. Das erzählte mir ein befreundeter Hauptmann, der diese im militärischen Alltag vermutlich eher störende Russlanddeutsche Angewohnheit übrigens als sehr erfrischend empfand. Dem Frieden zuträglich ist sie wohl. Man stelle sich nur vor, wenn dem GröFaZ einst auf sein „seit 05:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“ aus Millionen Wehrmachtskehlen ein „Ich wiiill nicht – is su früüüh!“ entgegengeschallt wäre. So eine Armee hätte man doch einfach nur liebhaben können. Wenn die Wehrmacht dann schön ausgeschlafen und gebruncht hätte, wäre sie, sagen wir gegen 11:45 Uhr, gähnend, und sich gemütlich am Hintern kratzend nach Polen geschlurft. Wäre unseren Großvätern Feindseligkeit entgegengeschlagen? Nicht doch. Durch ganz Polen wäre der Satz getönt: „Ach wie süß, die Deutschen kommen knuddeln!“ So hätte man sich durchs Land geherzt und bis zur russischen Grenze wäre unser Heer mit tausenden lustigen Schwejks verstärkt gewesen. „Briederchen!“ Mit offenen Schlagbäumen und die Wodkaflasche schwenkend hätte der Sowjet uns empfangen, schnell wäre man gemeinsam hinter den Ural getorkelt und hätte an die herrlichen russischen Birken gepieselt. Mit leuchtenden Augen wäre Opa heimgekehrt und hätte bis an sein Lebensende sehnsüchtig gemurmelt: „Ach ja, Sibirien!“ Verluste hätte es in diesem Zweiten Weltkuscheln, von einigen Schnapsleichen abgesehen, keine gegeben. Ach wie schön wäre eine Welt mit etwas mehr „ich wiiill nicht“!

(c) André Stiefenhofer 2015 – Performance anfragen: kontakt(ät)andre-stiefenhofer.de

Unsere täglichen Drogen gib uns heute

Neulich hab ich mir mal wieder Gedanken über das alte Thema „Legalize it!“ also den Sinn und Unsinn der Legalisierung von Cannabis gemacht und bin dabei derart abgeschweift, dass es interessant wurde.

Man braucht keine Drogen, um Dinge anders zu sehen.

„Eintritt für männliche Limbotänzer verboten.“ Kreative Menschen brauchen keine Drogen, um die Welt anders zu sehen!

Dass es rational gesehen Unsinn ist, Tabak und Alkohol zu erlauben, aber gleichzeitig Cannabis, LSD und Konsorten zu verbieten und die Nutzer damit zu kriminalisieren, ist keine Glaubensfrage, sondern eine inzwischen durch mehrere Studien belegte Tatsache. Wer das nicht glaubt, der höre einfach mal Professor David Nutt eine Stunde lang zu.

Die Verbotsfrage ist eine politische Frage, über die man sich aufregen kann oder nicht. Die Kernfrage stellt allerdings kaum einer, nämlich: „Warum brauche ich Drogen?“ Und jetzt sag bloß nicht „ich nehm keine“! Nach dem Aufstehen gibt’s erst einmal eine Tasse Kaffee. Im Büro die zweite, dritte, vierte, das macht munter. Nicht so schlimm? Genau so wenig wie Cannabis, zumindest falls Du eine Spinne bist. Denn dann fängst Du unter Koffeineinfluss viel weniger Fliegen, wie diese nette Studie belegt hat. Der Mensch tickt da anders, aber warum braucht er Drogen? Weil er ohne sie zu müde ist und unsere „böse“ Wirtschaft uns entfremdet hat?

Eine Droge ist eine Substanz, die etwas in unserem Körper verändert. In der Medizin wird diese Tatsache oft genutzt, um körperliche oder psychische Schmerzen zu lindern, Krämpfe zu lösen und zu entspannen. Aber wieso brauche ich als gesunder Mensch Drogen? Genau das habe ich einmal während einer Sendung auf Radio Horeb einen ehemaligen Heroin-Junkie gefragt. Seine Antwort hat mich überrascht:

„Jeder Drogenkonsum ist purer Egoismus“

In seinem Fall hat die Droge Heroin einen allumfassenden Lebensstil geschaffen, sie war der Mittelpunkt, um den er alles andere angeordnet hat: Freunde, Arbeit, Schlafrhythmus, alles. Warum er das tat? Langeweile, Flucht aus dem Alltag, aus dem Leben. Raus kam er da nur, indem er seinen Junkie-Lebensstil gegen einen komplett abstinenten Lebensstil eingetauscht hat. Statt Droge hat er nun Frau und Kinder, da bleibt wenig Zeit für Egoismus.

Nicht alles was schmeckt, ist gesund, sagt Mama.

Deine Drogen, meine Drogen, unsere Drogen …

Aus dieser Geschichte erspüre ich den Grund für die tägliche Droge. Es ist eine Lifestyle-Frage, dieses „das-brauch-ich-jetzt“. Der Kaffee als Stütze, um in den Tag starten zu können. Ich bin zu spät ins Bett, stehe zu früh auf, brauche-jetzt-etwas. Das tut mir nicht gut, besser wäre ein anderer Rhythmus, aber ich will nicht. Die Raucherpause: Raus aus dem Büro, in die Ecke allein oder mit Gleichgesinnten, Rauch in die Luft blasen, einen klaren Kopf kriegen, fokussiert sein. Das tut mir nicht gut, besser wäre mehr Sport und konzentriertes Arbeiten, aber ich will nicht, denn das-brauch-ich-jetzt. Ich will, dass ich mir das „besser gehn“ kaufen kann.

Und dann wundere ich mich, dass es mir nicht im Sommer mit seinen Grillabenden und Bierrunden am besten geht, sondern im Februar, in der Fastenzeit, wenn jede Droge inklusive Kaffee aus meinem Leben verbannt ist, der Sport mehr Bedeutung bekommt und das Miteinander. Hier geht’s nicht mehr die Frage, was der Staat verbieten sollte oder nicht. Hier fragt es sich nur: Was sollte ich selbst tun oder lassen?

„Ja, aber …“

Ja aber mein Job ist so stressig, ich schlafe so wenig, muss mich entspannen, es ist so gesellig, das brauch ich jetzt und Jesus hat ja auch Wasser in Wein verwandelt, um eine Hochzeit zu retten … Alles richtig und während ich diesen Text schreibe, steht neben mir ein dampfender Kaffee. Aber die Frage „warum mach ich das?“ treibt mich halt um. Ich weiß nicht, ob komplette Abstinenz die Antwort wäre. Wenn das in einen verbiesterten Lebensstil führt, wohl eher nicht. Ich weiß nur, dass es nicht heißt „unsere tägliche Droge gib uns heute“. Ein Denkanstoß, der weg führt vom moralischen Zeigefinger und näher zur Freiheit. Ob Cannabis oder Kaffee ist in dem Fall Wurst. Womit wir beim Thema „Fleisch“ wären, aber das ist eine andere Baustelle …

Gespenster und Arme Seelen: Glaub‘ ich das echt?

„Phantoms and ghosts are here by my side.“ Was Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow vor einigen Jahren so frei bekannte, dürften selbst viele Theologen eher brüsk von sich weisen. Gespenster, Phantome, übersinnliche Erscheinungen – das sind für aufgeklärte Menschen Betrügereien oder bestenfalls ein Fall für die Psychiatrie.

Doch ich glaube, jeder von uns hat schon einmal eine unerklärliche Erfahrung gemacht, etwas unheimliches erlebt. Wieso sonst sollten wir uns mit Gruselgeschichten so gut identifizieren können? Die Frage, wie wir uns das Erlebte im Nachhinein zurechterklären, soll hier mal egal sein. Denn natürlich gibt es immer wissenschaftlich einleuchtende Erklärungen für allerlei Phänomene – auch wenn diese Erklärungen wohl eher die Beobachter zufriedenstellen, als diejenigen, die so etwas selbst erleben. Mir geht es hier eher um die Frage, ob wir das Ungewöhnliche wahrnehmen und wie wir darauf reagieren (sollten).

... das sind aber keine Arme Seelen, sondern die Nahaufnahme einer Lampe.

Wenn Sie wollen, sehen Sie hier einen Geist …

Es gibt nämlich einen fundamentalen Unterschied zwischen den Helden eines Horrorromans und einem Christen. Während in einschlägigen Filmen und Büchern panisch geschrien, weggelaufen und durchgedreht wird, ist die Geschichte der Heiligen bei allen gruseligen Schilderungen doch recht unspektakulär. Und zwar deshalb, weil sie unglaublich cool blieben. Bestes Beispiel ist der heilige Pfarrer von Ars (hier eine sehr ausführliche Diplomarbeit über sein Leben). Von ihm wird berichtet, der Teufel, den er nur abschätzig „Grappin“ (= Greifer) nannte, habe ihn oft in der Nacht besucht, ihn mit kalten Klauen berührt, ihm Beleidigungen entgegengeschleudert und am Ende sogar sein Bett angezündet. Wie reagiert der Pfarrer aber darauf? „Ich hab‘ keine Zeit“, sagt er, dreht sich um und schläft weiter. Wow. Was für ein Spannungsvernichter!

Eine ähnlich lässige Art im Umgang mit übersinnlichen Dingen habe ich bei einer älteren Dame erlebt, die bis zu ihrem Tod neben mir gewohnt hat. Als ich frisch in meine damalige Wohnung eingezogen war, geschah allerlei Seltsames: Mitten in der Nacht huschte ein Licht im Flur herum, Schränke vibrierten und ich hörte jemanden meinen Namen rufen. Ich schob das Ganze als braver Akademiker auf den Umzugsstress und meine Nerven, erzählte aber doch meiner Nachbarin davon, die gerade die Fenster im Flur putzte. „Ach so, das ist nur der alte Herr Frantik, da brauchen’s sich nix denken“, sagte sie. Herr Frantik war mein verstorbener Vormieter. Ich stand wohl ziemlich perplex mit offenem Mund da, denn die nette alte Münchnerin hielt im Fensterputzen inne und sah mich belustigt an. „Ja san Sie jetzt katholisch oder net? Noch nie was von Armen Seelen gehört? Lassen’s a Messe für ihn lesen und des passt.“

Was soll ich sagen? Es passte. Nachdem ich für Herrn Frantik eine Heilige Messe bestellt und sicherheitshalber noch zusätzlich einen Priester mit dem Weihrauchfass durch meine Wohnung gejagt hatte, kam es nie wieder zu ähnlichen Phänomenen. Meine Nachbarin hingegen hatte ständig mit den „Armen Seelen“ zu tun. Sie sprach mit ihnen, betete für sie und als sie dann immer kränker wurde, sagte sie: „Herr Stiefenhofer, wenn I im Fegfeier bin, erschein ich Ihnen!“ Das war keine Drohung. Sie wollte mir damit einen Gefallen tun. Dass sie seitdem nicht mehr aufgetaucht ist, nehme ich als Zeichen dafür, neben einer Heiligen gelebt zu haben, die direkt in den Himmel zischen durfte. Genug Arme Seelen gerettet hat sie dafür auf alle Fälle.

Doch Stop! Moment! Glaub‘ ich jetzt echt ernsthaft an so was? Ich aufgeklärter, skeptischer Mensch? Also ich sag’s Ihnen ganz ehrlich: Trotz all dieser Erlebnisse hab ich immer noch das dumpfe Gefühl, dass irgendwie alles ganz anders ist … dass die Armen Seelen nicht einfach in der Gegend rumschwirren und Poltergeist spielen. Vielleicht spielt sich das Ganze ja auch nur in unseren Köpfen ab. Das ist aber im Grunde auch egal. Denn es gibt nur zwei Fragen zu klären: Glauben wir an das, was die Kirche lehrt? Und wenn ja, verhalten wir uns entsprechend? Entsprechend, das heißt: Cool wie der Heilige Pfarrer von Ars und engagiert betend wie meine Nachbarin. Denn wenn Himmel, Hölle, Fegfeuer und unsere unsterbliche Seele real sind, sollten wir das wohl schleunigst tun. Nicht dass wir am Ende noch enden wie Figuren in einem schlechten Horrorfilm …

Arme Seelen

Arme Seelen sind nach römisch-katholischer Tradition und Dogmatik Seelen im Fegefeuer, wohin sie durch die Entscheidung des Partikulargerichts (mit seiner

Arme Seelen und die Muttergottes – Fatima-Weltapostolat

Arme Seelen und die Muttergottes. 2. November 2014. Wie wirksam ist es… image_pdf · image_print. Veröffentlicht in Divers, Nachrichten. Vorheriger Beitrag Allerseelenablass gewinnen. Nächster Beitrag Unbefleckte Empfängnis, das …

Der Jimmie, der Charlie und der Jackie

Die 68er und ihre Spitznamen - Allgäu-Edition.

Oh baby, where did we lose our way?

Der Jimmie hat sich Jimmie genannt, weil´s den Charlie schon gegeben hat. Eigentlich hätte der Jimmie lieber Charlie geheißen, aber der Charlie war früher auf die Idee gekommen und zwei Charlies braucht Wimfatzhofen nicht, hat sich der Jimmie gedacht und der Charlie sowieso. Dann hat der Jackie gesagt, Jimmie ist doch eh viel cooler wie Charlie wegen dem Hendrix. Der Jackie war nämlich der Trendscout von Wimfatzhofen. Der Jimmie hat den Hendrix nicht gekannt und als der Jimmie den Hendrix gekannt hat, hat der Jimmie den Hendrix nicht gemocht. Weil der Jimmie spielt Tuba und die tiefen Töne liegen dem Jimmie mehr als das quietschende Gitarrengefrickel vom Hendrix. Aber der Jimmie hat jetzt halt Jimmie geheißen und darum hat der Jimmie sich den Hendrix schönhören müssen. Also hat der Jimmie ihn immer gehört, im Stall, auf dem Traktor, unterm Moped. Innerlich hat der Jimmie dabei immer Pom-Pom-Pom-Pom gemacht, Viervierteltakt, a gscheite Musi halt.

Aber äußerlich war er ganz der Hendrix, der Jimmie, so dass der Charlie sich gefragt hat, wer eigentlich der Charlie war, nach dem der Charlie sich benannt hat. Weil, wenn der Jimmie so ein Hendrix werden kann, muss der Charlie doch auch was gewesen sein. Dem Jackie ist sofort der Charlie Brown eingefallen und das fanden alle sehr passend, aber dem Charlie hat es nicht getaugt. Die Franzi hat ihm schon mehr getaugt. Die hat in der Dorfmusi die Jugend gemacht und darum den Charlie Parker gekannt. Nicht persönlich natürlich, aber auf Platte. Dem Charlie gings mit dem Parker wie dem Jimmy mit dem Hendrix. Aber natürlich hatte auch der Charlie keine Wahl. Wenigstens war auch der Parker ein Neger und darum hat der Vater vom Charlie den Charlie jetzt genauso einen Seckel genannt wie der Vater vom Jimmie den Jimmie einen Hirschen. Was den Jackie aber am Vater vom Charlie beeindruckt hat, war, dass der Vater vom Charlie den Charlie immer Charlie gerufen hat, während der Vater vom Jimmie den Jimmie immer nur „Schorsch“ und der Vater vom Jackie den Jackie bloß „Heinzi“. Sture alte Bauernköpfe waren das.

Damit der Charlie wegen seines coolen Däds nicht übermütig wird, haben der Jimmy und der Jackie den Charlie hin und wieder „Jakob“ genannt. Aber nur, wenn der Charlie einen Dämpfer brauchte, was häufig vorkam, weil der Charlie ja die Franzi hatte und der Jimmie und der Jackie nicht, was eine Hundgemeinheit war vom Charlie, den die Franzi eigentlich gar nicht gemocht hat. Die Franzi war nämlich nur wegen dem Cabrio mit dem Charlie zusammen, das eigentlich dem Jackie gehört hatte, bevor der Jackie damit besoffen in die Hofeinfahrt gerauscht ist und dem Jackie sein Vater es strafverkauft hat und zwar ausgerechnet an den Däd vom Charlie, so ein Hundspech, und das grad, als der Jackie die Franzi zum Busseln in die Berge mitnehmen hat wollen, obwohl gar nicht ausgemacht war, dass die Franzi mitgekommen wäre, weil der Jimmie ihr an dem Wochenende seine neue Tuba hat zeigen wollen, was dann aber Makulatur war, als der depperte Charlie mit dem Cabrio vom Jackie auf den Hof von der Franzi gefahren ist und zwar nach allen Regeln der Straßenverkehrsordnung, dass der Vater von der Franzi sofort in Schwiegersohnlaune war und der Franzi unbegrenzten Ausgang mit dem Charlie gewährt hat, was dann ausschlaggebend zu der Entscheidung von der Franzi beigetragen hat, mit dem Charlie zu Busseln und nicht mit dem Jimmie oder dem Jackie.

Die saublöde Entscheidung von der Franzi hat leider lange gehalten, weil der Charlie war heimatverbundener als der Jimmie und der Jackie zusammen und das hatte die Franzi mit dem Charlie gemeinsam, nicht mit dem Jimmie und dem Jackie. Weswegen die Franzi in dem Haus festgeklebt ist, das der Charlie in Wimfatzhofen gebaut hat, als der Jimmie und der Jackie zum Studieren sind.

Der Jimmie hat schnell angefangen, sich wieder Schorsch zu nennen und nicht nur Schorsch, sondern Georg, weil der Jimmie wollte Jurist werden und da hätte er keine Freude gehabt, wenn er sich Jimmie genannt hätte, obwohl er Schorsch geheißen hat und Schorsch konnte der Jimmie auch nicht mehr heißen weil Schorsch war so ländlich wie Jimmie amerikanisch, also hieß der Jimmie beim Studieren nicht mehr Jimmie oder Schorsch, sondern Georg. Das hat seinen Vater enorm verwirrt, weil der hat gar nicht gewusst, dass der Schorsch eigentlich Georg heißt, der hat gemeint der Schorsch nennt sich Georg genauso wie er sich Jimmie genannt hat, also um den Vater zu ärgern. Darum hat der Vater dem Schorsch das Taschengeld gestrichen, bis der aufhört, sich Georg zu nennen. Das hätte den Georg fast wieder zum Jimmie gemacht, weil wenn der Georg sich die Wohnung in München nicht mehr hätte leisten können, wär´s aus gewesen mit der Juristerei und bevor der Georg dann wieder zum Schorsch wird, hat der Georg sich gedacht, kann er sich gleich wieder Jimmie nennen. Die Mutter vom Schorsch, die den Georg inzwischen gerne Jimmie genannt hat, hat den Vater dann aber mithilfe eines amtlichen Dokuments von der Richtigkeit der Georgschen Behauptung überzeugt. Also hat der Georg die Juristerei gelernt, den Jimmie sein gelassen und der Papa durfte ihn weiter Schorsch nennen.

Beim Jackie war das Ganze komplizierter.

Der Vater vom Jackie wusste zwar, dass der Heinzi eigentlich Heinz geheißen hat, aber warum der Heinzi sich nicht Heinz, sondern weiterhin Jackie genannt hat, das hat der Vater bis zum Tod nicht verstanden. Zum Glück hat der Vater vom Jackie nicht mehr mitgekriegt, dass der Jackie sich in der Großstadt nicht mehr der Jackie sondern die Jackie genannt hat, weil das hätte der Vater noch viel weniger verstanden und dann wäre er unglücklich ins Grab gefahren. So aber ist der Vater von der Jackie als Vater vom Heinzi mit einem Lächeln unter die Räder vom Bulldog gepurzelt. Die Jackie hat das erst Wochen später erfahren, weil sie auf Briefe an Heinzi nicht mehr reagiert hat in ihrer Subkultur an der Nordsee. Es war der Charlie, der den Jackie schließlich ans Telefon bekommen hat, aber der Charlie hat sofort Streit mit der Jackie bekommen, die nichts von dem Jackie hören wollte, was den Charlie dazu bewegt hat, den Georg einzuschalten, der dann als Jimmie bei der Jackie angerufen hat und ihr von seinem gerade virulenten Schorsch-Problem erzählte. Das hat dann nebenbei gesagt bei der Jackie Muttergefühle aktiviert, weswegen die Jackie dann als der Jackie bei der Mutter vom Jimmie angerufen und ein gutes Wort für den Georg eingelegt hat. Aber hauptsächlich hat es der Jimmie geschafft, dem Jackie vom Tod seines Vaters zu berichten, was die Jackie dazu bewegt hat, sich als Heinzi zu verkleiden und mit dem Jimmie und dem Charlie das Grab vom Vater vom Jackie in Wimfatzhofen zu besuchen.

Zu diesem Anlass sind der Jimmie und der Jackie dann zum ersten Mal seit über vier Jahren zurück nach Wimfatzhofen gekommen. Der Charlie und die Franzi haben den Jimmie und den Jackie mit dem Auto vom Bahnhof abgeholt und sich gewundert, wie schorschig der Jimmie und wie heinzig der Jackie ausgesehen hat. Der Jimmie und der Jackie dagegen haben´s nicht fassen können, dass der Charlie noch genau wie der Charlie, aber die Franzi gar nicht mehr wie die Franzi ausgesehen hat. Der Charlie war ja immer schon ein fetter Hundling gewesen, aber die Franzi war erst vor Kurzem ein Opfer ihrer Kochkunst geworden, was den Georg auf der Stelle entliebt und die Jackie endgültig ihrer neuen sexuellen Identität versichert hat. Dass die Franzi so einen positiv-bestärkenden Eindruck auf den Jackie und den Jimmie gemacht hat, hat der Charlie nicht gemerkt und die Franzi selber auch nicht. Der Charlie hat nur misstrauisch beäugt, wie der Jackie und der Jimmie der Franzi auf den Hintern gestarrt haben, nicht ahnend, dass der Jackie und der Jimmie die Franzi nicht bewundert, sondern die Jackie und der Georg die Franzi bemitleidet haben, unter anderem wegen dem Charlie, der immer noch von allen Charlie genannt wurde, nur die Jackie und der Georg haben ihn die ganze Fahrt zum Friedhof über Jakob gerufen, was die Franzi, die den Charlie natürlich auch Charlie genannt hat, sehr witzig fand, ganz im Gegensatz zum Charlie.

Am Grab vom Vater vom Jackie sind der Jimmie, der Charlie und der Jackie dann mit der Franzi gestanden und haben sich Fragen gestellt. Der Jimmie hat sich gefragt, wieso er sich nur wegen der saublöden Coolness und dem Hendrix, den er gehasst hat, jemals Jimmie genannt hat, wo doch Georg viel schöner war oder meinetwegen Schorsch, wenn´s seinem alten Herrn so viel bedeutet. Der Charlie hat sich gefragt, was es wohl zum Mittag gibt. Die Jackie hat sich gefragt, wie viel wohl so eine Umoperation kosten würde. Die Franzi hat sich gefragt, wie der Jackie wohl in diese Hosen gekommen ist. Und alle haben sie sich gefragt, wieso auf dem Grabstein vom Vater vom Jackie, der Xaver geheißen hat, Elvis Huber gestanden ist.

(c) André Stiefenhofer 2015 – Performance anfragen: kontakt(ät)andre-stiefenhofer.de

Das Wesentliche und seine Nebenwirkung

Stell Dir den Moment vor, in dem Du stirbst. Diesen konkreten Moment in der Zukunft, von dem Du mit absoluter Sicherheit weißt, dass es ihn geben wird. Verwende zehn Sekunden darauf, Dir Deinen Tod ganz konkret vorzustellen, danach lies weiter.

Memento mori - Glauben an die Auferstehung

Grabstein in Freiburg

Fertig? Nun, egal, ob Du Dir Dein Ableben eben als schwebenden Übergang in ein anderes Leben oder als reines ausgeknipst-werden vorgestellt hast: Was Du dabei gespürt und gedacht hast, war das Wesentliche: Die Frage nach der menschlichen Existenz und dem Sinn. Du hast Dir den Moment ausgemalt, von dem die christliche Botschaft ausgeht. Christen behaupten nicht weniger, als dass es einmal jemanden gab, der gestorben ist und wieder auferstand. Und das meinen wir wörtlich, das macht unseren Glauben aus. Was über Jahrhunderte hinweg ein Skandal war, ist für die Menschen heute ganz leicht zu verstehen, denn schließlich kennen wir die Wiederauferstehung zur Genüge aus Computerspielen. Aber das hier ist kein Spiel, es ist ernst. Denn durch seine Auferstehung hat Christus – wie der Gamer sagt – den „Skill“ Auferstehung für die gesamte Menschheit freigeschaltet. Keiner muss mehr tot bleiben, es geht weiter. Die Frage, was das konkret heißen soll, ist nicht Thema dieses Texts. Nur so viel: Das Ausbleiben christlicher Zombiehorden ist ein dezenter Hinweis darauf, dass unsere menschlichen Körper nicht zum Recycling gedacht sind. Es ist alles ganz anders.

Die Freischaltung des Skills „Auferstehung“ durch Jesus Christus ist das Wesentliche am christlichen Glauben. 

Gott ist Mensch geworden und hat seine ganze Schöpfung umgekrempelt, um uns aus der Bredouille zu ziehen. Warum das nötig war, auch davon soll ein andermal die Rede sein. Hier nur so viel: Wir waren Schuld. Du, ich, Tante Erna und der süße kleine Kevin tragen Spuren dieser Schuld immer noch in uns. Das ist der christliche Glaube. Tod, Leben, Sünde, Erlösung. Übersinnlich, Irrational, mystisch. Darum geht’s.

Aber worüber reden wir Christen?

Über Meinungshoheit, linke oder rechte Politikfantasien, Homosexualität, Frauenrechte, Kita-Plätze, Elterngeld, Abtreibung, die US-Wahlen, die mörderischen Vollidioten unserer und anderer Religionen. Wir folgen dem Nachrichtenwert: Wenn etwas stinkt, knallt, kracht und idealerweise noch in der Nähe geschieht, ist es berichtenswert. Das ist ein Mediengesetz und das bedeutet, es ist nicht gut und nicht schlecht, sondern, wie der Österreicher sagt, „es is a so“. Ein Naturgesetz, das der Sache innewohnt. Die Kirche folgt diesem Naturgesetz, obwohl es ihr egal sein könnte und müsste. Denn was stinkt, knallt und kracht ist nicht das Wesentliche. Es ist eine Nebenwirkung. Das heißt nicht, dass wir darüber nicht reden dürfen. Es heißt nur, dass wir uns diesen Themen vom Wesentlichen, vom Kern unseres Glaubens her nähern sollten und nicht aus der Überheblichkeit unserer Studier- oder Redaktionsstuben. Das wahre Wissen der Kirche war immer schon erbetet, reine Gnade.

Wir sind noch keine Menschen …

Weil wir nicht mehr beten, werden wir nur noch durch unsere Äußerungen zu den Nebenwirkungen wahrgenommen. Wir schweigen zum Wesentlichen in der Öffentlichkeit. Stattdessen diskutieren wir lang, breit und lieblos über Sozialthemen oder die rechtlichen Implikationen kirchlicher Trägerschaft, erklären aber niemandem mehr, warum die Kirche sich überhaupt sozial engagiert. Nicht aus politischem Interesse oder damit die Leute aus Not unserem Verein beitreten. Sondern weil der Urgrund der Kirche es verlangt. Weil der Gott, der Mensch wurde, von uns verlangt, Mensch zu werden. Daraus folgt: Wir sind noch keine Menschen. Wir sind Sünder, brauchen Erlösung und wenn wir die nicht haben, können wir zehntausend Waisenhäuser gründen und fahren trotzdem zur Hölle. So rum wird ein Schuh draus und wenn wir das verkünden, werden wir verstanden. Aber Sünde und Sühne, Himmel und Hölle, Verdammnis und Erlösung sind abgeschafft.

Die Kirche wird in Deutschland nur noch als Nachklang des Wesentlichen wahrgenommen, als eine Institution gewordene Nebenwirkung der Erlösung.

Darum werden wir nicht mehr verstanden. Wir werden nicht verstanden, weil unsere Pfarreien oft nurmehr zünftige Traditionsvereine mit salbungsvollem Inhalt sind, doch keine brennenden Gebetszellen angehender Mystiker. Ein Symptom davon ist unsere Kirchenarchitektur: Eine gotische Kathedrale atmete noch das Evangelium, an jeder Ecke war sie Architektur gewordene Katechese. Sie strebte zu höherem, spornte den Menschen an, hielt hunderte versteckte Wahrheiten bereit, die es zu entdecken galt. Aus dem Kirchengebäude sollte der Heilige Geist sprechen, doch heute dünsten die grauen Betonwände meist eher akute Depression aus. Wenn das angeblich so hirnlose und leibfeindliche Mittelalter schönere Gotteshäuser hervorgebracht hat als unsere Komfort- und Genussgesellschaft, sollten wir wohl besser selbst wieder etwas hirnloser und leibfeindlicher werden.

Grab aus dem hirnlosen Mittelalter (im Freiburger Dom)

Grab aus dem hirnlosen Mittelalter

Doch Sarkasmus beiseite und zurück zum Kern: Die deutsche Kirche hat in ihrer Kommunikation das Übersinnliche, die Transzendenz inzwischen weitgehend ausgesperrt und thematisiert – wie alle anderen gesellschaftlichen Akteure – vorwiegend das Banale. Jammern hilft da jedoch nicht weiter, darum die konkrete Frage: Wie kann man das ändern? Der berühmte Medientheoretiker Marshall McLuhan gab auf diese Frage die kommunikationswissenschaftlich fundierte Antwort, die Kirche solle „nur noch das Höllenfeuer predigen“. Er meinte damit aber nicht, dass die Pfarrer grimmiger gucken und die Kirche den Leuten Angst machen sollte. Er ging vielmehr davon aus, dass man nicht über das Wesentliche reden kann, ohne dass einen das nackte Grauen packt.

Die Angst kommt automatisch, wenn man ernsthaft über jenseitige Dinge spricht.

Und wer glaubt, das könne man den Menschen nicht zumuten, kennt die Absatzzahlen des Horrorbuch- und Computerspielmarktes nicht. Die Menschen sehnen sich danach, dass über Transzendenz gesprochen wird. Wer, wenn nicht die Kirche kann den Mut und die Zuversicht haben, die richtig beängstigenden Fragen zu stellen? Die traurige Antwort: Stephen King, J.K. Rowling oder David Wong.

Transzendente Erlebnisse machen die Menschen heute nicht mehr in der Kirche, sondern in Computerspielen oder bei der Lektüre von Fantasy und Horrorliteratur.

Dieses Genre stellt jene Fragen, für die unsere Theologie zu feige geworden ist.

Beispiel gefällig? Bitte schön. Er stammt aus dem Buch  „John dies at the end“ von David Wong:

Hattest Du schon einmal einen Traum, der mit einem Knall endete? Vielleicht feuerte im Traum jemand eine Waffe auf Dich ab. Und als Du wach wurdest, verschmolz der Pistolenknall in den Lärm einer umgekippten Mülltonne vor Deinem Fenster. Nun die verzwickte Frage: Woher wusste Dein Gehirn, dass die Mülltonne umfallen würde? Kann etwas in Dir hellsehen? Hier sind zwei Antworten, beide der Horrorliteratur entnommen:

1. Zeit ist kein linearer Ablauf, sondern eine Einheit, ein Ozean. Im Traum verlassen wir die Zeit, betreten die Ewigkeit und alles geschieht gleichzeitig. Darum war es für Dein Gehirn kein Problem, den Müllmann mit dem Pistolenschuss zu synchronisieren.

2. Die meisten unserer Träume, auch die längsten, dauern nur wenige Sekunden. Zeit kann also unterschiedlich lang empfunden werden und die Zehntel Sekunden zwischen Mülltonne und Aufwachen haben dem Gehirn gereicht um eine gefühlt halbstündige Storyline zu entwerfen, an deren Ende der Schuss fällt.

Faszinierende Gedanken, was? Und jetzt bist Du dran, vor allem wenn Du Priester oder Theologe bist. Aber auch, wenn Du Dich als gläubigen Journalisten siehst: Rede über so was! Aber bitte auf Deutsch und nicht auf Theologisch. Hab keine Angst davor, für verrückt gehalten zu werden. Stelle Fragen und gib Antworten aus dem Evangelium. Dann kommen wir „Zurück zum Wesentlichen“.

To be continued …