Die Fastenzeit mit Fight Club verstehen

Die katholische Kirche und Chuck Palahniuk mögen wenig miteinander zu tun haben – die Verfilmung seines Buchs „Fight Club“ eignet sich aber hervorragend als Start in die Fastenzeit.

Fastenzeit mit Fight Club

Jesus Christus statt Tyler Durden – darum geht’s in der Fastenzeit …

Die Fastenzeit mit Fight Club einzuläuten – das ist nicht so abwegig wie es klingt, denn einige Zitate aus dem Film scheinen quasi am Aschermittwoch geschrieben worden zu sein:

„Zuerst musst du wissen, nicht fürchten, sondern wissen, dass du einmal sterben wirst.“

Genau darum geht es am Aschermittwoch in der Kirche: „Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und zu Staub zurückkehrst“, sagt der Priester, wenn er den (mehr oder weniger) Gläubigen ein Kreuz aus Asche auf den Kopf streut. Das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit geht mir im Alltag oft komplett ab – in der Fastenzeit soll dieser Alltag durchbrochen und wieder auf tragfähige Fundamente gestellt werden. Dazu muss ich mir klar machen, was Fight-Club-Held Tyler Durden mit den folgenden Worten beschreibt:

„Du bist nicht dein Job! Du bist nicht das Geld auf deinem Konto! Nicht das Auto, das du fährst! Nicht der Inhalt deiner Brieftasche! Und nicht deine blöde Cargo-Hose! Du bist der singende, tanzende Abschaum der Welt.“

Wer ein Problem mit dem Begriff „Abschaum der Welt“ hat, dürfte vermutlich auch ein Problem mit dem Begriff „Sünde“ haben. Ohne die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen wäre aber die Fastenzeit und damit auch Ostern selbst sinnlos. Nur weil die ursprüngliche Krone der Schöpfung sich zum „Abschaum der Welt“ entwickelte, musste Gott seinen Sohn auf die Welt schicken. Nur weil sich der Mensch so weit von dem entfernt hatte, was er eigentlich ist, musste Jesus Christus sterben und auferstehen. Mal wieder herunterzukommen vom täglichen hohen Ross und meine eigene Erlösungsbedürftigkeit im ganzen Ausmaß zu begreifen – darum geht es in der österlichen Bußzeit. Nur wenn ich mir meiner Lage bewusst werde, kann ich mich ändern:

„Eine ganze Generation zapft Benzin, räumt Tische ab und schuftet als Schreibtischsklaven. Durch die Werbung sind wir heiß auf Klamotten und Autos, machen Jobs die wir hassen und kaufen Scheiße, die wir nicht brauchen. Wir wurden durch das Fernsehen in dem Glauben aufgezogen, dass wir alle mal Millionäre werden, Filmgötter, Rockstars. Werden wir aber nicht, und das wird uns langsam klar.“

Diese knallharte Analyse in „Fight Club“ unterscheidet sich nicht von der eines gläubigen Christen: Dieses materialistische „vor-sich-hin-leben“ bringt’s nicht, beutet mich nur aus, macht mich kaputt. Nur ist die Schlussfolgerung eines Christen eine andere als die in „Fight Club“. Während der Held dort einen wütenden Aufstand gegen die Gesellschaft beginnt und schließlich eine faschistische Terrororganisation gründet, um die Welt zurück in die Steinzeit zu bomben, findet die menschliche Verzweiflung im Christentum ein besseres Ventil: Ich muss mich ändern, nicht die anderen. Durch Gebet, intensive Suche nach Gott und aktive Nächstenliebe.

Das ist gelebte Fastenzeit und das tut mir gut.

Form und Inhalt: Der Königsweg der Analyse!

Es gibt ein Rezept, mit dessen Hilfe man so gut wie jedes Problem verstehen kann. Wohlgemerkt: Verstehen. Die Lösung benötigt noch etwas mehr. Doch der Schlüssel zum Verständnis heißt: Form und Inhalt. Was meine ich damit?

Das ist einfach erklärt. Stellen Sie sich vor, Sie begegnen einem Unbekannten auf der Straße: Griesgrämiges Gesicht, ungepflegtes Äußeres, deutlich riechbare Hygieneschwäche. Wie werden Sie sich diesem Menschen gegenüber verhalten? Sollte klar sein. Was aber, wenn dieser Unbekannte kein Unbekannter, sondern Ihr Vorgesetzter ist? Und noch dazu ein hochintelligenter Mensch, der in seiner Branche weltweit geltende Maßstäbe gesetzt hat? Wie sieht ihr Verhalten nun aus? Jetzt fließen plötzlich ganz andere Faktoren in Ihr Handeln ein. Genau das ist Form und Inhalt: Äußere Erscheinung im Gegensatz zum inneren Wert. Emotionaler erster Eindruck im Gegensatz zu rationaler Bewertung. Oder Bauch/Herz kontra Kopf/Hirn.

Diese Schablone hilft nicht nur im Umgang mit Menschen, sondern auch mit abstrakten Vorgängen. In der Projektarbeit beispielsweise ist die sachliche Arbeit der Inhalt. Diese kann aber nicht funktionieren, wenn die Form nicht stimmt. Das ist z.B. dann der Fall, wenn Kommunikationshürden bestehen, Teammitglieder miteinander konkurrieren oder ganz einfach das vorgegebene Budget unrealistisch ist. Hier muss die Führungskraft erkennen: was ist Form und Inhalt? Geht es nicht voran, weil sachlich falsch gearbeitet wird, oder muss der Rahmen, der Kanal, die Form zunächst gereinigt werden. Ein konkretes Beispiel, das wohl jeder so oder so ähnlich schon einmal erlebt hat, ist der Chef, der sagt „meine Türen stehen Ihnen immer offen“, aber in kritischen Situationen nie erreichbar ist. Hier kann der Mitarbeiter sachlich (Inhalt) so gut arbeiten wie er will, wenn die vorher definierten Entscheidungswege (Form) nicht funktionieren, wird das nichts.

Form und Inhalt lösen Probleme in jedem Labyrinth

„Form und Inhalt“ lösen auch die verzwicktesten Probleme.

Vom zwischenmenschlichen Miteinander und der Geschäftswelt abgesehen hilft dieses Schema auch in gesellschaftlichen Dimensionen bei der Problemanalyse. Viel wird geklagt über den verkommenen Umgangston in den sozialen Medien und die Zunahme sektiererischer Grüppchenbildung in der Politik. Doch kaum einer kommt auf die Idee, dass das nicht an den Menschen liegt, sondern an der formalen Vorgabe der verwendeten Medien. Denn Facebook oder Twitter sind keine Nachrichtendienste. Es sind als Selbstzweck konzipierte Kanäle, deren Währung Akklamation ist. Die ständige Erregung öffentlichen Ärgernisses, der andauernde Ausnahmezustand ist das Geschäftsmodell aller sozialen Medien. Alles ist immer und sofort relevant. Und alles benötigt immer und gleich eine Reaktion vom Nutzer. Dieser Form folgt der Inhalt – und darum braucht man sich nicht weiter zu wundern.

Die Kategorien „Form und Inhalt“ helfen also beim Verstehen von Problemen. Helfen Sie auch bei der Lösungsfindung? Selbstverständlich, denn viel zu oft wird versucht, formale Probleme auf der inhaltlichen Sachebene zu lösen. Nur wer die Natur des Problems erkannt hat, ist in der Lage, es zu lösen. Und außerdem erschließt dieser Ansatz eine völlig neue Metaebene. Man ist plötzlich in der Lage, neue formale Vorgaben zu entwerfen, die einen inhaltlich weiterbringen. Anstatt blockiert zu sein, ändert man die Spielregeln und wird plötzlich innovativ. Das ist der Königsweg der Analyse.

Zum Lutherjahr 2017: Die Medienrevolution „Buchdruck“ und wie der Reformator davon profitierte.

2017 ist Lutherjahr, das heißt: 500 Jahre ist es nun schon her, dass Martin Luther seine Thesen an die Wittenberger Schloßkirche anschlug. Überall im Land wird zurzeit dieser umwälzenden Tat gedacht. Was dabei kaum jemand bedenkt: Luther war damals weniger innovativ, als vielmehr Nutznießer einer Medienrevolution.

Der Reformator war der Steve Jobs der Renaissance: Er hatte das Glück, genau zur richtigen Zeit geboren zu werden, denn ohne die revolutionären Umwälzungen des Buchdrucks wäre er ein mit sich und der Kirche hadernder Mönch ohne Massenwirkung geblieben. Seien wir ehrlich: An eine Kirchentür genagelte Thesen sind zwar ein Affront, aber die direkte Wirkung dieses Mediums beschränkte sich auf etwa fünf Meter Sichtweite.

Wie genau Martin Luther von der Medienrevolution des Buchdrucks profitierte und was sich dadurch in Kirche und Gesellschaft änderte, führe ich zum Lutherjahr 2017 in diesem Artikel in der „Tagespost“ aus (klicken).

Die Geburt von Innenwelt und Außenwelt – empirisch bewiesen!

Wenn man sich wie ich mit abstrakten Gedanken über „Sprache“ und „Medien“ beschäftigt, freut man sich, wenn andere auf denselben Gedanken kommen. Wie ich in einem früheren Artikel erklärt habe, stellte Marshall McLuhan die These auf, dass der Mensch erst seit der Erfindung des Alphabets in der Lage ist, Innenwelt und Außenwelt zu trennen.

Vorher, in Gesellschaften, die ihr Wissen nur mündlich überliefern konnten, war alles eine Einheit: Mein Innenleben und das, was andere von mir mitbekamen, war eins. Für einen Stamm wäre es existentiell gefährlich, wenn einzelne Mitglieder (außen) anders handeln, als sie (innen) denken. Da es die philosophischen Kategorien Innenwelt und Außenwelt aber natürlich trotzdem gab, obwohl der Mensch sie nicht bemerkte, behalfen sich unsere Vorfahren mit der „Externalisierung innerer Vorgänge“. Sprich: Die innere Stimme, die von der gesellschaftlich erwünschten Handlung abriet, war nicht meine Innenwelt, sondern der sprechende Baum, meine Muse, mein Seelentier, oder Zeus persönlich.

McLuhan bemerkt, dass die handelnden Götter in Homers Illias (einer mündlich überlieferten Sage) genau diese widerstrebenden inneren Regungen der menschlichen Helden widerspiegeln. Und er bemerkt darüber hinaus, dass ab Platon, also ab den ersten direkt schriftlich überlieferten Werken, diese Neigung der „Externalisierung“ abnimmt. Der Mensch fokussiert sich, er erkennt sich selbst, wird „Introspektiv“ und entwickelt damit erste Grundzüge von Wissenschaft. Nach McLuhan ist das der entscheidende Schritt des Menschen vom Kollektivwesen zum selbstbestimmten Individuum: Das Menschenbild wie wir es heute kennen wird geboren.

Warum ich das alles wiederhole? Weil ich auf der großartigen Plattform TED auf diesen faszinierenden Vortrag des Hirnforschers Mariano Sigman gestoßen bin. Er hat die eben geschilderte These McLuhans nämlich durch die wissenschaftliche Methode der Inhaltsanalyse bestätigt! Sigman und sein Kollege Guillermo Cecchi haben die großen Werke der Antike Wort für Wort analysiert und kamen zu dem Schluss, dass die „Introspektive“, also die Wahrnehmung der Innenwelt ab Platon plötzlich exponentiell zunahm, wie dieses Schaubild zeigt:

Geburt von Innenwelt und Außenwelt

Ab Platon geht’s bergauf mit der Introspektive! Quelle: TED.com – Mariano Sigman

Ich freue mich über diese Bestätigung der These McLuhans besonders, weil Sigman und Cecchi sie vermutlich nicht einmal gekannt haben. Ihnen ging es um etwas ganz anderes: Sie wollten eine Methode entwickeln, wie Schizophrenie-Patienten auf Heilungserfolge hin untersucht werden können. Wer mehr darüber erfahren will, sehe sich den Vortrag in voller Länge (12 Minuten) an.

Ich empfehle das sehr und will an dieser Stelle nur noch einen faszinierenden Gedanken daraus weitergeben: Vom Sinn her ähnliche Worte finden sich in Texten meist nahe beieinander, vom Sinn her unterschiedliche Worte stehen weit voneinander entfernt. Aus dieser Tatsache lassen sich grafisch „Wort-Räume“ bilden, aus denen vielfältige Schlussfolgerungen gezogen werden können. Nur Bahnhof verstanden? Dann Vortrag anschauen (hier klicken!).

Ich bin begeistert!

Edit: Die „Tagespost“ bat mich, diese Zusammenhänge noch genauer zu formulieren. Das tat ich gern in einem Artikel, der hier zu finden ist (klicken).

Lesetipp: Mediale Betrachtungen in Zeiten des Terrors …

… oder vielleicht besser: Terrorbetrachtungen in Zeiten der Medien?

In der empfehlenswerten Tageszeitung „Die Tagespost“ habe ich die aktuelle Medienberichterstattung zur „Bedrohung“ durch den Terror aus Sicht der Theorien des Medienwissenschaftlers Marshall McLuhan beschrieben und einige biografische Hintergründe über den Katholiken McLuhan zusammengetragen.

Den Artikel finden Sie hier (klicken)!

„Gott“ ist ein schönes Wort – aber was bedeutet es?

Warum heißt Gott eigentlich Gott? Wo kommt das Wort her? Und was hat diese Frage mit uns Deutschen zu tun? Also was unterscheidet „Gott“ zum Beispiel vom französischen „Dieu“ oder dem spanischen „Dios“? Folgen Sie mir, es wird interessant!

Fangen wir mit unseren südwestlichen Nachbarn an: Die Wurzel für „Dieu“ und „Dios“ liegt im lateinischen Wort „deus“. Dieses Wort wiederum stammt von „dies“, was „Tag“ oder im Ursprung auch „Himmel“ bedeutet. Der römische Göttervater heißt Jupiter – dieser Name setzt sich zusammen aus „Dies“ und „Pater“, was man mit „Himmelsvater“ übersetzen kann. Damit verbindet sich die Vorstellung eines autonomen überirdischen Wesens, das über seine Schöpfung wacht.

Wort Gott Herkunft

Das ist es. Doch woher kommt es?

Woher kommt nun das Wort „Gott“? Dafür gibt es zwei Theorien, denen ich eine Dritte hinzufügen werde. Bis in die Wikipedia hinein haben es zwei indogermanische Wurzeln geschafft. „Gheu“ für „(an)rufen“ oder „gießen“ führte demnach zu „ghuto“ und dies zu „Gott“. Nun besteht zwischen „anrufen“ und „gießen“ ja ein kleiner Unterschied, darum denken wir doch mal beide Wurzeln zu Ende.

Würde „anrufen“ im Wort „Gott“ stecken, würde es ausnahmslos jedes jenseitige Wesen bezeichnen, das je von den Menschen um Hilfe gebeten wurde. Das wäre aus zwei Gründen seltsam: Zum einen würden den damaligen Menschen dann für Engel, Dämonen und Geister die Worte fehlen – und das war bei unseren abergläubischen Vorfahren nun nachweislich nicht der Fall. Und zum zweiten hätten unsere Vorfahren ihren „Gott“ dann schon durch die Definition als mit Bitten zu bestürmendes und beeinflussbares Wesen erkannt. Die Allmacht, Unberechenbarkeit und Schöpfungsgewalt bliebe durch so eine Sicht schon sehr auf der Strecke. Man wäre bei der Begriffsbildung dann nämlich nicht vom zu beschreibenden Objekt, sondern vom Menschen ausgegangen: Gott ist der, den Menschen anbeten. So eine Aussage geht vom Subjekt aus, ist konstruktivistisch und somit sehr modern. Mit derselben Logik könnte man ein Flugzeug als „Gerät, in das sich Menschen hineinsetzen um durch die Luft von a nach b zu gelangen“ beschreiben. Das ist nicht falsch, es würde so aber niemand sagen. Viel eher würde man von den Eigenschaften des Objekts ausgehen und sagen „ein Flugzeug ist ein Gerät, das fliegt“. Daher ist es logischer, dass unsere Vorfahren mit dem Wort „Gott“ vor allem dessen Wesen beschreiben wollten und nicht, wie sie zu ihm stehen. Ist das beim Wort „gießen“ der Fall? Nicht, wenn man der Mehrheit der Etymologen (also Wortwurzelforschern) glaubt. Die sagen nämlich, „gießen“ weise auf dargebrachte Trankopfer hin, es gehe also in dieselbe Richtung wie die erste Erklärung: Gott ist der, dem Menschen Opfer darbringen. Das leuchtet mir wie gesagt nicht ein. Viel stimmiger finde ich, dass Gott als „Ausgießer“ von Gnaden, Glück und gutem Wetter betrachtet wurde. Das würde auch viel stärker mit der romanischen Sicht des Jupiter als Himmelsvater zusammenpassen.

So, aber jetzt wird’s richtig wild, denn jetzt kommt auch noch das Wort für die Deutschen ins Spiel! Wie wir aus „Asterix“ wissen, hießen die ja mal „Goten“. Hoppla. Merken Sie was? Ja genau: Das ist derselbe Wortstamm! Allerdings in einer etwas schlüpfrigeren Variante, darum lassen Sie mich hier sicherheitshalber aus der seriösen „Geschichte der Westgoten“ von Gerd Kampers (S. 24) zitieren: „Es dürfte sich bei „Gutones“ (Goten) um ein nomen agentis im Sinne von ‚Samen ergießen‘ handeln.“ Äh, Moment, Herr Kampers!? Wollen Sie uns damit sagen, dass sich unsere Vorfahren selbst freiwillig und kollektiv als „Samenergießer“ bezeichnet haben!? Asterix bei den Samenergießern? Kann nicht sein, oder!?

Doch, es sieht ganz so aus – und damit wären wir mal wieder bei einem guten alten Problem der Historiker: Man geht bei der Betrachtung früherer Zeiten immer von sich selbst und seinem aufgeklärten, emanzipierten und hochgeistigen Leben aus. Das funktioniert aber nicht, denn unsere chauvinistischen Macho-Vorfahren tickten aus vielen Gründen noch ganz anders. Überträgt man die Erkenntnis des Wortes „Goten“ nun auf „Gott“, dann ist er der Lebensspender und der Schöpfer. Das ist doch schon eine deutlich andere Sichtweise als die eines angebeteten Götzen und passt ebenso wunderbar zu den nördlich der Alpen hinreichend bekannten Fruchtbarkeitskulten wie auch zur romanischen Deutung des „Vaters“. Denn was ist ein Vater anderes als ein …, na, Sie wissen schon!

Nun sind wir heute keine Goten mehr, sondern Deutsche. Aber Gott heißt immer noch Gott. Was macht dieses Wort mit uns? Es sollte uns Gläubigen reiche Frucht bringen und ein Leben in Fülle verheißen. Zum Abschluss ist das doch noch ein schöner Gedanke zu einem schönen Wort mit leicht unschöner Herleitung.

Zurück zum Stamm: Was bedeutet Global Village?

Was bedeutet Global Village?

Den Begriff „Global Village“ (also „weltweites Dorf“) hat wohl jeder schon einmal gehört. Geprägt wurde der Ausdruck in den 1960er-Jahren vom kanadischen Medienforscher Marshall McLuhan und seitdem wird er gerne missverstanden. Die meisten übersetzen „Global Village“ mit „die Welt ist ein Dorf“ und denken an die wunderbare Utopie der segensreichen Globalisierung: Dank der modernen Transport- und Kommunikationsmittel kann jeder mit jedem kommunizieren und jeder jeden besuchen. Weltweit. Ein schöner Gedanke, aber das meint der Begriff leider nicht.

Was bedeutet „Global Village“ also wirklich?

Was bedeutet Global Village?

Zurück in den Stamm: Das „Global Village“ als Rückschritt in der Menschheitsgeschichte.

Marshall McLuhans Kernthese ist, dass Menschen und Gesellschaften durch Medien entscheidend geprägt werden. Er drückt das mit dem Schlagwort „The Medium is the message“ aus (mehr dazu hier!). Mit „Global Village“ bezeichnet er jene Gesellschaft, die durch die „elektronischen Medien“ Radio und Fernsehen geformt wird. Diese Formung besteht in starken „Retribalisierungstendenzen“ in der Gesellschaft, sprich: Der individualisierte Mensch der Moderne entwickelt sich durch die neuen Medien wieder zurück zum vorzeitlichen Stammesmenschen. Drei Hauptauswirkungen haben die „elektronischen Medien“ auf den Menschen:

1. Die für eine individualistische Gesellschaft grundlegende Trennung von „privat“ und „öffentlich“ löst sich auf. Es gibt keinen geschützten Bereich, der nicht in den gesellschaftlichen Diskurs gezerrt wird. Dadurch wird der Einzelne vor der Gesellschaft bloßgestellt und hat sich immer für alles dem Kollektiv zu verantworten.

2. Durch die ständige Öffentlichkeit aller Bereiche lösen sich wichtige menschliche Dimensionen auf. Am gravierendsten ist hier die fehlende Trennung von „Innen- und Außenwelt“. Der Mensch im „Global Village“ darf „innen“ nicht anders denken als er „außen“ handelt. Er muss vom Kollektiv immer ganzheitlich erfasst werden können. Das reduziert Innovationsbereitschaft und Abstraktionsvermögen und führt zu angepasstem Verhalten.

3. Die Gesellschaft lebt in einem Zustand der ständigen Informationsflut und des nie aufhörenden Schreckens. Was in einer prähistorischen Dorfgemeinschaft die Unwägsamkeiten von Natur und die reale Existenzbedrohung durch Hunger, Krankheit und wilde Tiere war, ist im „Global Village“ die ständige Bombardierung mit weltweiten Schreckensnachrichten. Und das nicht rational in Schriftform sondern emotional auf allen Informationskanälen.

Wie gesagt ist das eine Analyse der Gesellschaft im Fernsehzeitalter. In den sozialen Medien hat sich das nun noch einmal verschärft: Dort werden fast nur noch extreme Positionen bezogen und Beiträge sind nur relevant, wenn sie ausreichend „Akklamation“ („Likes“, „Retweets“ o.ä.) bekommen. Die Gesellschaftlichen Diskurse verlaufen in den sozialen Medien nicht länger rational sondern ausschließlich emotional und die Teilnehmer sind in starke Kollektive eingebunden. Eine Situation wie in einem vorsintflutlichen Dorfstamm.

Was bedeutet „Global Village“ also wirklich? Im Kern den Verlust der Vernunft und die Herrschaft der Emotion. Die Debatten in den sozialen Medien versteht nur, wer sie als das erkennt, was sie sind: Stammesstreitigkeiten unter rational beschränkten und emotional gesteuerten Dorfbewohnern.

Nun sollte, nachdem ich unsere Gesellschaft im Grunde als eine Bande von Dorftrotteln diffamiert habe, am Ende dieses Artikels zumindest auch noch eine Lösung stehen: Wie kann man diesen Trend ändern, die Debattenkultur retten? Da das Problem nach McLuhan in den formalen Eigenschaften der Medien steckt, kommt man da nur raus, indem man auf andere Medienformen ausweicht. Das ist z.B. der Grund, warum ich einen Blog schreibe und keine Videos aufnehme:

Dieser Text ist rational entwickelt und man könnte rational auf ihn antworten. Nur kann man den Stamm nicht so einfach dazu bekehren, diese ungewohnte Mühe auf sich zu nehmen. Die Lösung heißt Aufklärung und Erziehung: Versteht, dass die Medien Euch ändern! Nur wenn das bekannt wird, können wir wieder zu Vernunft kommen.

Fußnote: Was bedeutet Global Village? Wikipedia hat’s nicht so ganz kapiert … so viel zur „Schwarmintelligenz“ 😉

Medien formen Menschen: Muttersprache und Fremdsprachen.

Medien formen Menschen.

Wenn wir über Medien sprechen, meinen wir meist nur technische Vermittlungshilfen wie Zeitung, Fernsehen, Radio oder deren Mischformen im Internet. Das zielt zu kurz und verdeckt die wahre Wirkung von Medien. Denn wenn wir sie nur als reine Werkzeuge sehen, unterschätzen wir die guten alten Medien gewaltig.

Das Medium ist die Botschaft

Mit seinem Slogan „Das Medium ist die Botschaft“ behauptete der kanadische Medienwissenschaftler Marshall McLuhan, dass die genutzten Medien einer Gesellschaft diese Gesellschaft im Kern definieren. Ein Volk, das vor allem Zeitung liest, hat gemäß dieser Theorie ein völlig anderes Weltbild und eine komplett andere Abstraktionsfähigkeit als ein Volk, das sich vor allem durch den Fernseher informiert. Wer sich über die hysterischen Wutbürger in den sozialen Medien wundert, hat darum etwas Grundlegendes nicht verstanden: Medien formen Menschen – und nicht umgekehrt. Das Internet gebiert den anonymen Querulanten – und das liegt nicht am Nutzer, sondern an der Form des Mediums.

Medien formen Menschen - Zeitung, Buch oder Fernsehen?

Ein Volk, das vor allem Zeitung liest, hat ein völlig anderes Weltbild und eine andere Abstraktionsfähigkeit als ein Volk, das sich vor allem durch den Fernseher informiert.

Nach der Theorie McLuhans waren es ausschließlich Meilensteine in der Entwicklung der Kommunikationsmittel, die die menschliche Zivilisation im Lauf der Geschichte vorangetrieben haben: Das phonetische Alphabet, der Buchdruck, die elektronischen Medien – sie waren die Grundlagen und nicht die Ergebnisse der größten menschlichen Errungenschaften. Medien formen Menschen – das ist die erste Überraschung, die McLuhans Werk bereit hält.

Die zweite Überraschung ist die, dass er die Liste der Medien erheblich erweitert. So ist für ihn jede einzelne Sprache der Welt ein Medium, das unsere Wahrnehmung verändert. Die Schrift, selbst ein eigenes Medium, ist dabei sozusagen die „Hardware“, die Sprache die „Software“. Wer in einer fremden Sprache kommuniziert – und das wird jeder bestätigen, der einer Fremdsprache mächtig ist – gibt dadurch nicht nur Informationen an Menschen eines anderen Kulturkreises weiter, sondern wird durch die Benutzung der Sprache auch in diesen Kulturkreis mit hineingenommen.

Ein Beispiel: Wer wissenschaftliche Texte auf Englisch schreibt, wird dies in Form eines Essays tun und dabei sowohl Humor als auch Understatement einfließen lassen. In einem deutschsprachigen wissenschaftlichen Text dagegen staubt es regelrecht vor nüchterner Distanziertheit und es braucht beinahe Exegeten, um die komplizierten Schachtelsätze zu entwirren. Das Understatement wird einem im Englischen auch durch das egalitäre „you“ erleichtert. Es gibt kein förmliches „Sie“ und kein persönliches „Du“. Die Nähe ergibt sich ausschließlich aus dem Kontext.

Diese Beispiele bestätigen McLuhans These, dass das Medium „Sprache“ Völker formal trennt: „Eine Sprache ist die kodierte Form kollektiver Wahrnehmungen und der Weisheit vieler Menschen.“ Dabei geht es ihm weniger um die Hochsprache – gerade der „Slang“ und die Umgangssprache sind das Prägende. Sie sind schließlich der Prüfstein, an dem Muttersprachler einen Nicht-Muttersprachler erkennen. Sprache ist für McLuhan die Äußerung des Unterbewussten und macht die Beziehungen zwischen Sachverhalten für jeden Kulturkreis auf einzigartige Weise unterschiedlich deutlich. Wer das verstanden hat, wird sich nie mehr wundern, warum sich eine Kunstsprache wie „Esperanto“ nie durchsetzen konnte: Es fehlt die Unterfütterung durch die Kultur, es fehlt der Herzschlag der Poesie.

Das heißt auch: Was in Sprache A gedacht wurde, konnte genau so tatsächlich nur in Sprache A gedacht werden, denn sie war die unerlässliche „Software“ dafür. Sprache B kann den Gedanken zwar übersetzen und für ihren Kulturkreis anpassen. Ganz begreifen wird sie ihn vermutlich nie. Das ist auch der Grund, warum man Texte ab einem gewissen Abstraktionsgrad immer nur in der Originalsprache lesen sollte: Es geht nicht nur um Worte – es geht um Deutungszusammenhänge und die sind meist nicht zu übersetzen.

Das alles könnte man nun für die rein abstrakte Gedankenakrobatik eines Professors aus dem Elfenbeinturm halten, wäre da nicht die aktuelle Debatte um „Integration“ im Zuge der Flüchtlingskrise. Denn nach all diesen Überlegungen sind sofortige Deutschkurse für all jene, die bleiben wollen ein Muss. Medien formen Menschen – und die Sprache des Gastlandes zu kennen und zu benutzen ist daher viel unerlässlicher für die Integration als die Kenntnis des Grundgesetzes auf Arabisch. Das für Übersetzer und fremdsprachigen Buchdruck ausgegebene Geld sollte darum besser in Deutschlehrer und Unterrichtsmaterial investiert werden. Das ist das konkrete Fazit einer abstrakten Überlegung.

Die in diesem Text verwendeten Zitate Marshall McLuhans sind diesem Buch entnommen.

Die Macht des Wortes erkennen.

Die Macht des Wortes in einem Satz:

„Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ (Joh 1, 14)

Zu solchen Bibelstellen nicken Gläubige brav mit dem Kopf und Atheisten zucken gleichgültig mit den Schultern. Was soll das bitteschön heißen: „Das Wort ist Fleisch geworden“? Die Gläubigen sagen „na klar“, damit ist die Geburt Jesu gemeint. Aber das beantwortet die Frage nicht. Jesus ist doch kein Wort! Klarer wird die Sache, wenn man den griechischen Originaltext betrachtet. Dort steht statt „Wort“ „Logos“ und das meint die ordnende, „logische“ Schöpfungskraft, durch die alles entstanden ist. „Das Wort“ ist nach diesem Verständnis der sinn- und planvolle Urknallverursacher, eine archaische Kraft aus Urzeiten, zeitlos und übermenschlich. Dieses „Wort“ wird Mensch. Schwächer und sterblicher geht’s kaum.

Ist das Rätsel damit gelöst? Gott ist das „Logos“ und in Jesus Christus Mensch geworden? Sozusagen „fleischgewordene Kommunikation“, wie ich es in diesem früheren Text hier ausgeführt habe? Ja, das ist ein wichtiger Aspekt, aber es geht noch weiter. Denn der christliche Gott ist dreifaltig: Ein Gott in drei Personen. Und jetzt habe ich einmal eine Frage an die Frommen: War Gott immer schon dreifaltig oder ist er es erst geworden? Jesus Christus gibt’s immerhin erst seit Mariä Empfängnis und der Heilige Geist entstand erst zu Pfingsten durch „Ausgießung“. Also: War Gott immer schon dreifaltig oder hat er sich erst später gespalten? Die Antwort sollte nicht schwer fallen:

„Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.“ (Heb 13, 8)

Die Geburt Jesu Christi war eine Inkarnation, eine Fleischwerdung. Und das bedeutet, dass etwas bereits Vorhandenes in die Welt eintrat. Ebenso der Heilige Geist: Was „ausgegossen“ wird, muss bereits vorhanden sein. Gott streckt sich mit zwei seiner Personen in die Schöpfung hinein – ähnlich wie ein Mensch, der zwei seiner Arme unter Wasser taucht. Für viele Christen beginnt die Heilsgeschichte erst mit dem Evangelium. Sie vergessen dabei, dass es Gott und sein Wort schon immer gab und dass er gerade deshalb auch für Atheisten hochrelevant ist – ob sie es nun glauben oder nicht.

Macht des Wortes Wortmacht Machtwort

Die Macht des Wortes: Wortmacht oder Machtwort?

„Das Wort“ ist die Macht schlechthin, es hat die Welt erschaffen. Und das ist keine fromme Theorie, sondern empirisch nachprüfbar. Denn jeder Fortschritt in der menschlichen Kulturgeschichte fand entlang jener Innovationen statt, die „das Wort“ verstärkten, bündelten und auf eine neue Ebene hoben. Je perfekter die Möglichkeiten der menschlichen Kommunikation genutzt wurden, umso mehr Wohlstand herrschte. Einige historische Beispiele:

  • Die Erfindung der abstrakten Schriftzeichen des Alphabets läutete die Blütezeit der griechischen Philosophie ein. Der Mensch analysiert sich, erkennt sich, schafft die grundlegenden Begriffe der „Innenwelt“ und „Außenwelt“. Diese klaren Strukturen im Denken machen große Reiche wie das römische Imperium erst möglich, denn erst jetzt können effektive Verwaltung und Bürokratie entstehen.
  • Die Erfindung des Buchdrucks revolutioniert das Lernen: Lesen und Wissen sind von nun an nicht mehr nur einer Elite vorbehalten, die Bildung der Massen schreitet voran. Flugblätter und Bücher werden nicht mehr nur in den internationalen Gelehrtensprachen Latein und Griechisch veröffentlicht, sondern in den Landessprachen. Das erleichtert einerseits das „Lesen lernen“, andererseits entsteht dadurch auch ein zunehmendes National- und Gemeinschaftsbewusstsein.
  • Die elektronischen Medien Radio und Fernsehen entstehen erst, nachdem der Nationalstaat bereits seinen Zenit überschritten hat und zum Faschismus degenerierte. Sie machen die Kommunikation wieder ganzheitlicher erlebbar. Dem durch die Selbstanalyse inzwischen hochfragmentierten Menschen genügt es nicht mehr, Sachverhalte rational zu durchdringen. Er möchte Ereignisse auch emotional erfassen. Das „Infotainment“ in Fernsehen und Radio ist eine Erfüllung dieses Wunsches.
  • Mit dem Internet wird die redaktionelle Dienstleistung der Auswahl und Aufbereitung von Nachrichten automatisiert. Jeder ist nun gleichzeitig Sender und Empfänger. Was relevant ist, wird von Algorithmen ausgewählt und individuell auf den Nutzer zugeschnitten. Die Geschwindigkeit und Individualisierung von Kommunikation hat damit einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Wirtschaftliches Handeln wird zunehmend ins Internet verlagert.

Für all diese Innovationen gilt: Sie nutzen nur denen, die an ihnen teilhaben können oder wollen. Und immer besteht die Gefahr des Missbrauchs: Gesichtslose Bürokratie, kalter Materialismus, Faschismus, Datenklau und Big Brother – all das waren und sind böse Geister, die der Fortschritt mit sich brachte. Doch diese Ungeister haben in der Geschichte nicht gesiegt und werden auch in Zukunft nicht siegen. Denn die treibende Kraft in der Geschichte ist „das Wort“, das die Welt und die Menschheit immer mehr durchdringt. Ein Christ der im Vater Unser „Dein Reich komme“ sagt, aber das Internet und seine Folgeinnovationen ablehnt, hat darum etwas Grundlegendes nicht verstanden: Technologien sind keine Macht. Sie dienen der Macht des Wortes. Eine Macht, die in Armut und Elend in die Welt kam, um sie fundamental zu verändern:

„Ja, vergessen sind die früheren Nöte, sie sind meinen Augen entschwunden. Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde.“ (Jes 65, 17)

Diese Zeilen entstanden etwa 700 Jahre vor der Geburt Jesu, mehr als 2700 Jahre vor dem Internet. „Macht“ heißt nicht „Revolution“ und plötzlicher Umsturz. Doch „das Wort“ gestaltet die Geschichte. Lassen wir es zu.

Das Statement an den Grenzen des Dialogs

Wir sind offen, wir sind tolerant, wir können über alles reden. Und doch gibt es deutliche Grenzen des Dialogs in unserer Gesellschaft.

Ich bin ganz entschieden für Kommunikation, für das miteinander-reden. Und ich kann es nicht leiden, wenn wem der Mund verboten werden soll. Egal, ob er/sie Dutschke heißt oder Schwarzer, Pirnicci oder Matussek. Widersprechen darf und soll man – aber ausgrenzen und abschießen? Niemals! Ich habe die Intoleranz gegenüber anderen Meinungen in den Sozialen Medien thematisiert. Die Antworten waren ernüchternd: Prinzipiell waren nämlich immer die anderen schuld! Eher links stehende Freunde wiegelten jede Kritik mit dem Hinweis auf den Anstieg rechter Gewalt ab, die rechte Fraktion machte dasselbe in grün – im wahrsten Sinne des Wortes.

Wer sich Kritik jedoch allein mit dem Hinweis darauf verbietet, dass andere „noch schlimmer“ seien, der ist vor allem eines: Schlimm.

Denn damit sind wir an den Grenzen des Dialogs angekommen. Wie will man mit jemandem diskutieren, für den sein Zweck alle Mittel heiligt? Der sich und sein Grüppchen als ewiges Opfer sieht und damit zum „zurückschlagen“ berechtigt? Man kann es nicht. Und man sollte es nicht.

Grenzen des Dialogs Wutbürger

Die Grenzen des Dialogs wie sie einem bei Facebook täglich begegnen. Name und Adresse wurden von mir entfernt. Der Verfasser dieses Aushangs scheint sich immerhin in Behandlung zu befinden.

Es wäre nämlich ganz einfach vergeudete Zeit. Es gibt dennoch ein Gegenmittel – und wie so oft findet man es im Evangelium: Bei sich selbst anfangen.

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und dabei steckt in deinem Auge ein Balken? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen. (Matthäus 7, 3-5)

Stellen Sie sich doch einmal vor, wenn das jeder beherzigen würde! Wie leer dann doch die Facebook-Timeline und die Talkshows wären – von den Boulevardblättern ganz zu schweigen. Parteien würden sich endlich ihrer eigenen Uneinigkeit und Eitelkeit stellen. Sachliche Arbeit und Fakten würden die Politik regieren. Persönliche Angriffe, hektische Überreaktionen und Geldverschleuderung wären ausradiert. Eva Herman würde noch die Nachrichten lesen, während ihr der alternde Rudi Dutschke im Kreis seiner Enkel dabei zusieht. Und Donald Trump wäre bereits vor einigen Jahren explodiert. Das Paradies! Daher der Appell: Halten Sie Ihr eigenes Haus rein und helfen Sie anderen. Das ewige herummäkeln bringt uns nicht weiter.

Ja aber, ich bin doch ein armes Opfer! Nicht wahr? Ja was ist denn nun, wenn plötzlich die ganze Welt gegen mich ist, mich hasst, mich verfolgt oder mir zumindest meine Existenzgrundlage unter den Füßen wegzieht, wenn ich als Publizist unangenehme Dinge anspreche? Was sagt die Bibel dann? Nun, dem ein oder anderen wird nicht entgangen sein, dass auch Jesus Christus selbst ein Opfer von übler Nachrede und Verrat war. Seine Existenzgrundlage endete am Kreuz. Die Passionsgeschichte ist darum das beste Beispiel, wie man sich auch in einem medialen Shitstorm verhalten sollte. Die folgende Bibelstelle hat mich in der Beziehung schon immer schwer beeindruckt:

„Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es. Als aber die Hohenpriester und die Ältesten ihn anklagten, gab er keine Antwort. Da sagte Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen? Er aber antwortete ihm auf keine einzige Frage, sodass der Statthalter sehr verwundert war.“ (Matthäus 27, 11-14)

Jesus gibt kein Statement ab, er ist ein Statement. In diesem Moment hat der Meister des Dialogs die Grenzen des Dialogs erreicht. „Du sagst es.“ Mehr gibt es nicht zu sagen. Ich kann darum allen Stalking-Opfern nur raten: „Bleib höflich und sag nichts, das ärgert sie am meisten.“ (Die Ärzte)

Nicht drauf eingehen. Wenn der Vorwurf falsch ist, einfach weiterarbeiten als sei nichts gewesen. Ich muss niemandem beweisen, dass ich kein Nazi bin. Oder kein Autonomer. Ich bin’s nicht und ich werd’s nie sein. Warum also verteidigen? Bringt nichts, nur heiße Luft. Und davon gibt es schon viel zu viel.